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«Wir müssen reden!»

Wie Familie Baumann ihr Erbe mit Humor und Zuneigung regelt

Andere feiern gemeinsam Weihnachten – und streiten. Zum Beispiel übers Erben. Familie Baumann feiert nicht zusammen Weihnachten. Aber sie reden. Übers Erben. Mit Humor und Zuneigung. Sohn Simon hat darüber einen Film gedreht.

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Beim Filmemacher daheim in Suberg BE: Simon Baumann blättert im Fotoalbum der Familie. Er und sein «Brüetsch» ­Kilian (l.), seine Partnerin Kathrin und die Eltern Stephanie und Ruedi.

Beim Filmemacher daheim in Suberg BE: Simon Baumann blättert im Fotoalbum der Familie. Er und sein «Brüetsch» Kilian (l.), seine Partnerin Kathrin und die Eltern Stephanie und Ruedi.

Kurt Reichenbach

Er ist der Patriarch. Am Ende machen wir immer, was er will», sagt Stephanie Baumann (73) über ihren Mann Ruedi (77). Ihre Stimme klingt dabei weder verbittert noch müde, eher so, als sei es ein Naturgesetz. Dabei schaut sie ihren Mann liebevoll an. Den letzten «Sieg», den die Familie dem ehemaligen Nationalrat der Grünen und Kleinbauern zugestand, war die Erbregelung eines 70 Hektar grossen Landwirtschaftsbetriebs in Frankreich. Sohn Simon (45) hat darüber einen Film gedreht, seine Partnerin Kathrin Gschwend (41) im Berner Generationenhaus eine Ausstellung zum Thema Erben mitkuratiert.

Im Dezember ist die Familie im Heimatdorf Suberg BE versammelt. Stephanie und Ruedi kommen während der Sessionen hierher, um Sohn und Grünen-Nationalrat Kilian (44) und dessen Partnerin bei der Kinderbetreuung zu unterstützen. «Kilian war der Stille, hat nicht viel gesprochen, abgewartet, was der grosse Bruder macht», erinnert sich Stephanie. Doch er ist es jetzt, der den Bauernhof des Ehepaars weiterführt und in die politischen Fussstapfen getreten ist, waren Stephanie (SP) und Ruedi Bauman doch das erste Ehepaar, das in den 90er-Jahren gemeinsam im Nationalrat sass.

Ruedi und Stephi: So nannten die beiden Söhne ihre Eltern schon als Kinder. «Ich geniesse es, wenn wir alle zusammen sind», sagt die Mutter.

Ruedi und Stephi: So nannten die beiden Söhne ihre Eltern schon als Kinder. «Ich geniesse es, wenn wir alle zusammen sind», sagt die Mutter.

Kurt Reichenbach

Nach ihrem Rückzug aus der Politik vererbten sie den zehn Hektar grossen Hof an Kilian, die zum Familienbesitz gehörende alte Öle an Sohn Simon und bauten sich vor mehr als 20 Jahren in Traversères in Südwestfrankreich ein neues Leben auf. Um dieses landwirtschaftliche Grundstück mit zugehörigem Hof drehten sich in den letzten Jahren die Diskussionen in der Familie, mit der Kamera festgehalten von Simon. «Wenn ich filme, bin ich meinen Eltern nah – und doch frei», sagt er. «Ich verstehe nicht, warum du darüber einen Film drehst», sagt hingegen Bruder Kilian in einer Szene. Simon will Antworten, Kilian aber schneidet seelenruhig die Apfelbäume in der Subergschen Hofstatt – und schweigt.

Simon und ­Kathrin leben mit ihren Kindern in der alten Öle in Suberg. Die Eltern hatten ihm das Gebäude vererbt.

Simon und Kathrin leben mit ihren Kindern in der alten Öle in Suberg. Die Eltern hatten ihm das Gebäude vererbt.

Kurt Reichenbach

Kilian und Vater Ruedi, die Bauern, hängen an Land und Hof und sind eher wortkarg. Simon und Stephanie stellen Fragen, suchen Antworten, loten Möglichkeiten aus. «Verkaufen wäre eine Option», findet die Mutter, «denn was ist, wenn wir mal nicht mehr allein dort leben können und wir das Geld brauchen?» Simon macht sich Gedanken über die Moral des Erbens, sagt, dass es auch eine Belastung sein könne. Ein Gedanke, den seine Mutter gut versteht. Und Vater Ruedi stoisch dazu schweigt. «Wir wären alle für eine Erbschaftssteuer. Aber es nützt nichts, wenn nur wir jetzt alles dem Staat schenken», sagt Stephanie.

Politik verbindet die Familie

Bei Baumanns hört man sich zu, akzeptiert abweichende Meinungen. «Sie finden sich über politische Themen. In meiner Familie erzählt man sich Geschichten, Dinge aus dem Alltag. Das machen Baumanns nie», beschreibt Kathrin. Als Partnerin von Simon sei sie vom ersten Tag an herzlich aufgenommen worden. Bei den Diskussionen über die Erbschaft in Frankreich stellten sie und die Partnerin von Kilian kritische Fragen. Aber in die Entscheidung wollten sie sich nicht einmischen. «Das müssen sie unter sich ausmachen.»

«Mit der Kamera bin ich meinen Eltern nah – und frei»

Simon Baumann

Fast 1000 Kilometer fährt man von Suberg nach Traversères, «die letzten Kilometer über einen holprigen Feldweg», erklärt Simon und rollt die Augen. Er fragt sich: «Was sollen wir dort?» – «Ihr habt dort ein Dach über dem Kopf, könnt alles anbauen, was es zum Leben braucht, und habt eine Alternative in der EU, falls es in der Schweiz so weitergeht mit dem Isolationismus», kontert Ruedi. Der Kauf habe ihn und Stephanie vor 20 Jahren rund 600'000 Franken gekostet, weitere rund 200'000 Franken hätten sie investiert. «Vielleicht möchten eure Kinder das Gut ja übernehmen?»

Ruedi Baumann (r.) ist ein grosser Traktorfan und bestaunt das Gefährt von Kilian, der den Hof der Baumanns weiterführt.

Ruedi Baumann (r.) ist ein grosser Traktorfan und bestaunt das Gefährt von Kilian, der den Hof der Baumanns weiterführt.

Kurt Reichenbach

Beide Brüder haben Nachwuchs zwischen sechs und dreizehn Jahren. Im Sommer treffen sich alle auf dem Alterssitz der Baumanns. «Dieses Zusammensein geniesse ich sehr. Und bin dankbar, dass unsere Kinder so gut rausgekommen sind, denn als berufstätige Mutter und Politikerin war ich oft weg.»

Stephanie stammt aus einer einfachen Familie, zu erben gabs da wenig. «Mein Erbe war das Gefühl, das armen Leuten innewohnt: nicht zu genügen, nichts wert zu sein.» Der Hof und die Mühle in Suberg kommen von der Familie von Ruedi. «Mein Grossvater war ein Herrenbauer. Von ihm habe ich die Arroganz, die mir häufig vorgeworfen wurde.»

Simon spricht vom Grüebli im Kinn, das auch seine Mutter hat, und von der Migräne, unter der auch der Vater leidet. Kilian trägt die Liebe zum «Buure» und das ökologische und soziale Engagement der Eltern weiter. Er wird es sein, der Nutzen aus den Tagebüchern seines Vaters ziehen kann, die dieser seit 50 Jahren führt. «Ich schreibe auf, wann ich gesät habe, wie das Wetter war, welche Stufe ich bei der Sämaschine eingestellt habe.»

Erbe ist mehr als materielle Güter

Im Gegensatz zu Stephanie, die regelmässig Tabula rasa macht, kann Ruedi nichts fortwerfen. «Das könnt ihr dann mal tun», wirft er lächelnd in die Runde. «Ein Horror für mich als Filmemacher», protestiert Simon theatralisch. «Ich werde jedes Papier in die Hand nehmen und überlegen, ob ich es gebrauchen kann.»

Sein Film zeigt auf, dass ein Erbe mehr ist als materielle Güter. Aber am Materiellen treten unterschiedliche Lebensvorstellungen zutage. Bei Baumanns endet es damit, dass Land und Hof in Frankreich in eine Gesellschaft umgewandelt wurden. Kilian garantiert als Landwirt die korrekte Bestellung des Bodens, Stephanie und Ruedi haben ein lebenslanges Nutzungsrecht, alle vier sind Gesellschafter. «So machen das in Frankreich viele Bauern. Drum nützt es nichts, dass man mich jetzt kontaktiert, weil alle meinen, ich sei ein Spezialist in Erbrecht», sagt Ruedi lachend. Spezialist ist er aber eigentlich doch: Der Entscheid lautet so, wie er es sich gewünscht hat. Freiwillig. Denn diese Familie lässt sich durch ein Erbe nicht auseinanderdividieren.

«Wir Erben»

«Wir Erben» von Simon Baumann, an den Solothurner Filmtagen (22.-29. Januar 2025), im Kino ab 30. Januar, wirerben.ch

«Hilfe, ich erbe!» Ausstellung im Berner Generationenhaus, bis Oktober 2025, begh.ch/erben

MR
Monique RyserMehr erfahren
Von Monique Ryser vor 1 Stunde