Hey Mami, legen wir los: Wie war das damals, als du als 19-Jährige mit deinem ersten Baby nach Hause gekommen bist? Kam da auch die Hebamme vorbei?
Mira Zivadinovic: Das wäre schön gewesen. Aber nein. Papa und ich wurden nach Hause geschickt und mussten ab Tag 1 selber klar kommen. Es gab weder Pampers, besonders viel Literatur, geschweige denn Google.
Seid ihr nicht fast durchgedreht?
Wir kannten es ja nicht anders. Das war damals alles ganz normal. Wir haben uns einfach mit Freunden/der Familie ausgetauscht, die schon Kinder hatten und mehr wussten. Vieles war Intuition, die du einfach als Mutter hast. Das kennst du ja jetzt, da du selber Mami bist, auch, oder?
Ja klar. Und dennoch weiss ich nicht, was ich ohne Google machen würde.
Ist dieses Google nicht mehr Fluch als Segen? Man kann sich ja zu Tode googeln. Und überall steht was anderes. Und am Schluss wird aus einem harmlosen Babyschnupfen Krebs, nicht?
Ja, das stimmt. Trotzdem bin ich oft sehr froh über das Internet.
Und ich denke, dass ich damals viel mehr Zeit für deine Schwester und dich hatte, weil ich nicht noch googeln, mich durch Instagram, Facebook und was-weiss-ich-alles scrollen musste.
Noch mal husch zurück zu den Pampers. Gab es gar keine Einwegwindeln?
Nein, wir hatten Stoffwindeln, die wir oft ganz heiss von Hand waschen mussten. Eine Waschmaschine hatten wir damals ja auch nicht. Und mit nur einem Wäschetag pro Woche kamen wir nirgends hin.
Krass. Was ich aber fast noch krasser finde: Wenn ich Dank Internet und Mütterberatung nicht alles über das Schlafen, das Zahnen und die Babyernährung wissen würde, wäre ich ständig in Sorge um das Kind. Kennst du das?
Oh ja. Ich kann nicht sagen, wie oft wir zum Kinderarzt gerannt sind. Wenn ihr ganz rote Backen hattet und einfach nur weinten, hatten wir keine Ahnung, was los war. Erst als uns der Kinderarzt versicherte, dass ihr bloss zahnt, war ich etwas beruhigt. Viel Hilfe gab es damals nicht. Statt fancy Beissringe wie heute haben wir euch einfach Rüebli zum kauen gegeben, die wir vorher kurz in den Tiefkühler legten. Und weisst du was? Es hat super geholfen.
Du staunst jedes Mal, wenn du bei uns zuhause bist, über all die Gadgets wie Schoppenwärmer, Brei-Cooker oder Babyfons mit integrierter Kamera.
Es ist verrückt, was es heute alles gibt. Du hast den Schoppen für deinen Sohn in 20 Sekunden zubereitet. Bei uns hat das alles ewig gedauert. Und dann das mit der Kameraüberwachung beim Schlafen. Geht das nicht etwas gar zu weit? Ich habe euch immer gehört. Auch wenn die Tür eures Zimmers zu war und wir Besuch hatten. Eine Mutter hört ihr Kind doch immer.
Ich weiss, was du meinst. Bin aber dennoch froh, wenn ich doppelt und dreifach abgesichert bin.
Okay, ich verstehe das. Weisst du, was auch ganz anders war? Man hatte so wenig Ahnung in Sachen plötzlicher Kindstod. Uns riet man, euch Babys auf den Bauch zu legen. Das hat sich heute alles sehr verändert. Als deine Schwester und du Mamis geworden seid, musste ich vieles neu lernen und bin einfach nur froh, dass man heute so viel mehr weiss. Ich werde nie wieder ein Neugeborenes auf den Bauch legen (lacht).
Heute wissen wir ebenfalls: Kein Zucker und kein Salz im ersten Lebensjahr. Ausserdem rennen wir ins Baby-Yoga, ins Baby-Schwimmen, ins Mutter-Kind-Turnen und wälzen Erziehungsratgeber en masse. Wie war das früher?
Das mit dem Zucker und Salz hat uns der Kinderarzt gesagt. Alles andere haben wir einfach nach Gefühl und Gutdünken gemacht. Ich habe meinen Lebtag keinen Erziehungsratgeber gelesen. Papa und ich waren uns aber zum Glück sehr einig in der Erziehung. Wir waren ziemlich locker und setzen von Anfang an auf Förderung eurer Selbständigkeit. Wenn ich euch heute so zuschaue, finde ich euch manchmal zu krass: Ihr durftet so viel mehr TV schauen als eure Kinder jetzt. Und, sind wir ehrlich, es hat euch nicht geschadet.
Das stimmt. Du setzt dich auch immer für Süssigkeiten und Fernsehen bei deinen Enkeln ein.
Absolut. Ich bin mir sicher, dass sie deswegen nicht weniger super rauskommen. Ausserdem bin ich ja jetzt Grosi. Ich bin der good Cop. Ich muss die Kleinen nicht mehr erziehen, ich kann und will sie einfach verwöhnen. Das ist die allerbeste Aufgabe meines Lebens. Und für diese brauche ich, wie auch bei euch schon als Mama, weder Internet, noch Literatur. Gesunder Menschenverstand, Liebe und Bauchgefühl reichen völlig aus.
Weisst du was, das ist herrlich versöhnend.
Absolut! Und nun geh, schreib das Interview nieder und dann mach noch ein paar Kinder. Das fände ich schön.
Mami, du nervst.
Ich liebe dich auch.