In ihrer Gegend, dem Zürcher Säuliamt, sind die vier eine feste Institution: Die Ehepaare Angelo und Evelyn Botti sowie Dario und Beatrice Botti. Denn: Die beiden Männer (75) sind eineiige Zwillinge, und die beiden Frauen (73) ebenfalls – diese Konstellation gibt es in der Schweiz nur zweimal. Tauchen die vier Bottis zusammen auf, dann heisst es: Das Botti-Kleeblatt ist da! Beim Grüezisagen hören die Männer dann immer die gleiche Frage: Sind Sie jetzt der Lehrer-Botti oder der Architekten-Botti? Angelo hat eine Ausbildung als Bauingenieur gemacht und war Sekundarlehrer, sein Bruder arbeitete als Architekt. «Auf den ersten Blick werden wir oft verwechselt», erzählt Dario und lacht. Die Leute fragen dann immer, «ob es auch unter uns zu Verwechslungen komme». Die Standardantwort: «Selbstverständlich! Nur die Abwechslung ist nicht so gross.»
Wer ist wer? Angelo: «Früher hat oft einer für den anderen eine Prüfung geschrieben.»
Fabienne BühlerJetzt sind nochmals Sie dran! Wer ist wer? Evelyn: «Früher glichen wir uns noch mehr. Doch verwechselt haben wir uns nie.»
Fabienne BühlerEs ist eng in der Küche der Bottis. Von jedem Stuhl aus brauchts nur einen Griff – zum Kühlschrank, zum Brotbrett, zur Kaffeemaschine. Wie jeden Morgen um neun Uhr «zmörgeled» die vier Bottis am Küchentisch. Dann diskutieren sie, warum am Vorabend beim «Brändi Dog»-Spielen schon wieder das Team Dario/Beatrice gewonnen hat, zudem wird das Tagesprogramm festgelegt. Aufgetischt hat Angelo, er ist seit sechs Uhr auf den Beinen, die Frauen sind erst vor ein paar Minuten heruntergekommen. Beim Brotschneiden hält Beatrice kurz inne, gibt ihrem Schwager «es Schmützli»: «Angelo ist ein Schatz! Der Fels in der Brandung, er hält den Laden zusammen.» Angelos Frau Evelyn nickt, ihre Stimme klingt fester als die ihrer Schwester: «Aber de Dario esch au en Gäbige!» Dario reicht seiner Schwägerin das Konfiglas. «Wir habens immer gut und lustig zusammen. Wir sind unzertrennlich, ein Viererbund.» Geheimnisse habe keiner vor den anderen, «ausser die ganz top secrets». Neid und Eifersucht gebe es bei ihnen nicht. «Richtig Streit hatten wir noch nie. Als Zwilling lernst du früh, zu teilen und dich dem anderen anzupassen.»
Täglich ab neun Uhr: gemeinsames Frühstück in der Küche, jedes Paar an seinem Platz. «Wir gigelen viel zusammen.»
Fabienne BühlerDie Frauen die Rädelsführer?
Seit 44 Jahren leben die Zwillings-Ehepaare unter einem Dach, in ihrem Haus in Obfelden ZH. Im Parterre sind die gemeinsamen Räume: Stube, Esszimmer, Küche. Über eine Wendeltreppe gehts nach oben. In der ersten Etage befinden sich Schlafzimmer und Badezimmer von Dario und Beatrice und zwei weitere Räume, in der zweiten Etage Schlafzimmer und Bad von Angelo und Evelyn. «Wir sind eine Vierer-Wohngemeinschaft. Sie funktioniert wie geölt», sagt Dario. «Unsere Frauen sind die Rädelsführer, wir passen uns an.» Seine Schwägerin schüttelt energisch den Kopf.
Beim Blättern im Fotoalbum schwelgen die Zwillingsschwestern in Erinnerungen. Evelyn (r.):«Ich bin die Aussen-, Bea die Innenministerin. Wir sind ein Herz und eine Seele.»
Fabienne BühlerDie vier kannten sich schon als Kinder, sie sind im gleichen Stadtzürcher Quartier aufgewachsen. Schon immer seien er und sein Bruder frecher gewesen als die Zwillingsschwestern, erinnert sich Angelo. «Mehr als einmal hat einer die Prüfung für den anderen geschrieben, später für den anderen das Obligatorische geschossen.» Beatrice, die wie ihre Schwester das KV gemacht hat: «Das hätten wir uns nie getraut!» 1981 heiraten die vier – selbstverständlich gemeinsam.
«Läck Bobby! Haben wir da noch gut und knackig ausgesehen.» Beatrice, Dario, Evelyne, Angelo (v. l.) bei der gemeinsamen Hochzeit 1981.
Fabienne BühlerSeine Frau sei eher die Resolute, sagt Angelo, Beatrice die Sanfte. Bei eineiigen Zwillingen, erklärt sein Bruder, gebe es immer einen Innen- und einen Aussenminister. Bei den Bottis sind die Rollen so verteilt: Evelyn und Dario sind die Aussenminister, Beatrice und Angelo die Innenminister. Evelyn lädt Besuch ein, Angelo bekocht diesen, sorgt für den Nachschub aus dem Weinkeller, Beatrice kümmert sich um die Gäste, Dario ist der Conférencier.
Der Garten ist Männersache. Angelo macht den Swimmingpool mit verschiebbarer Überdachung bereit. «Darin tummeln sich Dario und ich oft stundenlang.»
Fabienne BühlerWie ein Auto mit drei Rädern
Fast jedes Wochenende sind sie mit ihren engsten Angehörigen zusammen. Beide Paare haben je ein Kind. Angelos und Evelyns Tochter Fabienne lebt mit ihrer Familie im Zürcher Oberland. Darios und Beatrices Sohn Fabio wohnt mit Frau und drei Kindern im Nachbarort. Hütet das Quartett Fabiennes einjährigen Buben, stellen sich Fragen wie «Dürfen wir den Kleinen schon auf die Beine stellen?». Dario: «Bei solchen Sachen gibts unter uns vieren schon mal unterschiedliche Ansichten.» – «Was sonst eigentlich nie der Fall ist», ergänzt seine Frau. Die vier machen praktisch alles gemeinsam: zum Coiffeur gehen, Steuererklärung ausfüllen, Ausflüge in ihre zwei Ferienhäuser in Lugano TI. Geht einer einkaufen, nimmt er das Portemonnaie, das am nächsten liegt. Das Testament wurde zu viert erstellt, die Platte fürs Gemeinschaftsgrab ist ausgesucht. Vor zwei Jahren seien alle durch die schlimmste Zeit ihres Lebens gegangen, erzählt Beatrice. Während einer Herzoperation bekam Angelo fünf Bypässe eingesetzt, verbrachte zwei Monate in der Reha. «Es war, wie wenn ein Auto nur mit drei Rädern fährt.»
Jedem Paar seinen Smart: Bea, Dario, Angelo und Evelyn (v. l.). «Wir Schwestern fahren besser als unsere Männer.» Dario schüttelt den Kopf.
Fabienne BühlerDario räumt den Frühstückstisch ab. Das Tagesprogramm sieht wie folgt aus: Evelyn bügelt einen Stoss Kleider von allen vieren, Beatrice nimmt den Küchenboden feucht auf, dann gehen die Schwestern gemeinsam einkaufen, treffen im Dorfcafé Bekannte. «Wo immer wir hinkommen: Die Leute haben gleich ein Lachen auf dem Gesicht», sagt Beatrice. «Früher hat es mir weniger ausgemacht, wenn wir angestarrt wurden.» Die Brüder fahren mit Angelos Porsche Cayenne los, schauen bei den Liegenschaften vorbei, die sie in der Umgebung besitzen, werkeln hier was, klären dort was ab. Gegen Abend sind sie wieder daheim, Angelo macht das Znacht. Dann schauen die vier «Tagesschau», plaudern bei einem Glas Roten über den Tag, Gott und die Welt. Gegen 21.30 Uhr verabschieden sich die Schwestern mit einem Gutenachtkuss von ihren Männern, verziehen sich in die Schlafzimmer. Anders die Brüder. «Wir sind Nachteulen», sagt Dario. Oft sind die beiden bis weit nach Mitternacht im Pool, philosophieren, hecken Ideen aus.
Im ersten Stock: das Schlafzimmer von Dario und Beatrice. «Vor dem Einschlafen hören wir ‹SRF 1›.»
Fabienne BühlerIm zweiten Stock: das Schlafzimmer von Angelo und Evelyn. «Jeder hat seinen Stil.» Doch die roten Herzen bleiben sich gleich.
Fabienne Bühler«Wir haben ein reich erfülltes Leben», sagt Angelo. «Weil wir zu viert sind.» Evelyn nickt. «Das Schöne als Zwilling: Man ist nie allein, nie einsam. Und wir vier sind das sowieso nie. Wir sind ein Glückskleeblatt!»