Meine Frau erledigt bei uns den Haushalt. Mit drei Kindern (9, 5, 3) kommt sie eigentlich nie zur Ruhe. Ich finde, dass unsere Kinder bei der Hausarbeit mitanpacken sollten. Meine Frau jedoch hält nicht viel von einem Ämtliplan. Sie habe das als Kind gehasst und wolle unseren Buben nicht dasselbe antun, sagt sie. Hältst du es für richtig, den Kindern deswegen alles abzunehmen? – Simon
Lieber Simon
Das Wort Ämtli löst bei mir gemischte Gefühle aus. Ich erinnere mich, wie ich als Teenager schon gemault habe, wenn mich für meine Mutter nur den Kompost rauszubringen sollte. Obwohl ich im Nachhinein gestehen muss, dass diese und andere Aufgaben, die sie mir erteilte, ziemlich harmlos waren. Neben Kompost leeren mussten wir auch um den Esstisch herum wischen oder mal das Auto staubsaugen. Ich glaube nicht, dass diese Ämtli der Grund sind, warum ich heute stets ein sauberes Haus habe. Viel prägender war, was mir vorgelebt wurde.
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Für wertlos halte ich Ämtli deswegen aber nicht. Durch das Mitwirken im Haushalt lernen Kinder, Verantwortung zu tragen. Das wiederum fördert ihre Selbstständigkeit und stärkt ihren Familiensinn.
Gerade kleine Kinder lieben es, sich in die alltäglich anfallenden Arbeiten einbinden zu lassen. Sie fühlen sich dadurch als wichtiger Teil der Familie. Das ist bei mir zuhause nicht anders: Unsere Mädchen kochen, decken den Tisch, räumen die Maschine aus, giessen die Blumen, stauben ab und helfen beim Wäschewaschen. Unsere Vierjährige legte sogar mit grösster Begeisterung ihre Wäsche zusammen, seit ihr die Omi gezeigt hat, wie das geht.
Dabei fällt mir auf: Das Wort «Ämtli» habe ich bislang noch nie in den Mund genommen, irgendwas hält mich zurück. Ich will meinen Mädchen nicht die Freude am Mithelfen verderben, indem ich es zur Pflicht erkläre.
Die meisten Pädagogen halten Ämtli für sehr sinnvoll. «Eine Familie ist auch eine Wohngemeinschaft, es soll jeder sein Beitrag dazu leisten. Am besten ist jedes Mitglied für etwas zuständig. Dadurch entsteht die Grundstimmung, dass alle etwas zur Gemeinschaft beitragen», sagt Familientherapeutin Martina Rissi. «Gerade Kleinkinder schätzen es sehr, eine Aufgabe zu übernehmen, und sei es nur, wenn man den Dreijährigen jeweil die Gabeln auftischen lässt. Bei den Kleinkindern geht es vor allem darum, dass man sie spielerisch in den Haushalt einführt, auch wenn das halt mal ein wenig mehr Arbeit bedeutet, weil sie anstatt zu putzen nur rumschmieren», so Rissi.
Später sieht es natürlich anders aus: Dann geht es in erster Linie darum, die Eltern im Haushalt zu entlasten. Und das will richtig aufgegleist sein.
Lieber Simon, die Voraussetzung, dass der Ämtliplan bei euch zuhause gelingt, ist, dass ihr loslassen lernt. Wenn die Eltern jedes Mal stänkern, weil das Besteck nicht gerade auf dem Tisch liegt und die Fenster noch Striemen haben, oder nach dem Wischen am Boden ein paar Brosmen liegen bleiben, zerstören sie schnell die Motivation ihrer Kinder. Und erreichen das Gegenteil der von mir und Experten angepriesenen Vorteile eines Ämtliplans.
Allgemein gilt: Je früher Eltern ihre Kinder in gewisse Ämtli einführen, desto besser klappt es später. Denn die Zeitspanne, in der die Kinder die Hausarbeiten gerne und freiwillig erledigen, ist leider sehr kurz. Gut möglich, dass sich die Begeisterung über den Neueinstieg in die Hausarbeit bei eurem Ältesten also in Grenzen hält.
Was können Eltern gegen Nasenrümpfen tun? «Das Entscheidende ist, dass jeder ein Ämtli ausüben kann, dass er irgendwie auch noch lässig findet. Daher sollten Kinder bei der Ämtlivergabe auch mitbestimmen dürfen», so Rissi. Eine gute Möglichkeit ist es, jeweils vor dem neuen Schuljahr einen Familienrat einzuberufen und die Aufgaben nach dem Lustprinzip zu verteilen. In ihrem Verantwortungsbereich dürfen die Kinder dann auch das Sagen haben. Und dürfen auch mal was beanstanden, wenn es ihnen mehr Arbeit macht als nötig.
Kommt es wiederholt zu Stänkereien, kann man allenfalls die Aufgaben neu verteilen. Die Eltern sollten die Arbeiten jedoch auch kontrollieren, das gehört dazu. Eine Idee ist es, bei Familienrat die Konsequenzen anzusprechen, falls das Ämtli wiederholt nicht erledigt wird. Rissi: «Eine mögliche Konsequenz wäre etwa, dass ein Kind nach dreimaligem Vergessen seines Ämtlis eine Zusatzaufgabe erledigen muss.»
Die Ämtli sollten jedoch auf keinen Fall entlöhnt werden, da es sich um einen Beitrag an die Gemeinschaft handelt. Rissi: «Geld darf als Sold für eine Sonderleistung ausbezahlt werden, aber keinesfalls regelmässig für das Erledigen von Ämtli zum Einsatz kommen.»
Lieber Simon, ich denke schon, dass es einen Versuch wert ist, für deine Buben einen Ämtliplan zu erstellen. Gerade weil du schreibst, dass deine Frau überlastet ist. Wie wärs, wenn du beim nächsten Abendessen einfach mal deine Kinder zum Thema befragst? Eure Kleinen werden mit grosser Sicherheit begeistert sein. Vielleicht freut sich auch euer Ältester darüber, wenn er seine Mama entlasten darf. Geht er gerne einkaufen? Rasen mähen? Oder mit dem Hund spazieren? Frag ihn doch mal.
Hier eine Liste möglicher Ämtli:
- Geschirrspühler ein- oder ausräumen
- Besteck auftischen
- Abtrocknen
- Waschmaschine ausräumen
- Papierkorb leeren
- Kompost entsorgen
- Kehrrichtsäcke rausstellen
- WC-Rollen auffüllen
- Wäsche sortieren
- Rasen mähen
- im Garten helfen
- Auto saugen
Da findet sich bestimmt etwas, das deinen Jungs Spass macht.
Herzlich, Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.