Mein Sohn ist in der 5. Klasse und muss bald ins Klassenlager, er leidet aber unter Heimweh. Das würde er natürlich nie zugeben. Ich weiss aber, dass seine Schulkollegen ihn deswegen auch schon Muttersöhnchen nannten. Warum leiden Kinder an Heimweh? Was ist Heimweh? Und hast du Tipps dagegen? - Rahel
Liebe Rahel
An Heimweh zu leiden, ist völlig normal: Es trifft Buben wie Mädchen, jüngere wie ältere Kinder– und auch solche, die schon öfter auswärts übernachtet haben. Es beschränkt sich also auf keinen Fall auf «Muttersöhnchen», wie du befürchtest.
«Heimweh ist eine Gefühlsreaktion auf die Trennung von der Heimat und drückt sich bei jedem Kind anders aus», sagt Psychologin Marion Sonnenmoser, die dem Thema eine eigene Homepage gewidmet hat.
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Die einen weinen laut und äussern den dringendsten Wunsch, nach Hause gehen zu dürfen. Andere bekommen Bauch- und Kopfschmerzen, wieder andere leiden still und weinen unbemerkt ins Kissen. Das Gefühl beschleicht die Kinder meistens dann, wenn nichts los ist. Besonders vor dem Schlafen gehen. Das Gute: Meist vergehen die Heimwehgefühle denn auch innert weniger Tage.
Laut Sonnemoser neigen jüngere Kinder allerdings eher zu Heimweh als ältere, weil sie noch stärker an die Eltern gebunden sind. Auch seien schüchterne Kinder oder solche, die nur schwer Anschluss finden, eher betroffen. «Bei kleineren Kindern spielt es zudem eine Rolle, ob es freiwillig und gerne verreist oder sich weggeschickt fühlt».
Liebe Rahel, kaum ein Fünftklässler gibt gerne zu, dass er an Heimweh leidet. Doch es hilft deinem Sohn auch nichts, wenn er seine Gefühle ignoriert. Oft macht das die Situation sogar noch schlimmer. Ich würde deine Befürchtungen ehrlich ansprechen. Vielleicht wird dein Sohn mehr von seinen Kollegen geplagt als angenommen, oder er kommt mit einem Lehrer nicht klar. Mach ihm Mut und erklär ihm, dass er sich für seinen Kummer nicht zu schämen braucht und es vielen Kindern ähnlich geht.
Das Gute: Das Auswärtsübernachten kann er trainieren und lernen, seine Gefühle zu kontrollieren. Eine Jugendfreundin von mir hat in ihrer Kindheit stark an Heimweh gelitten. Vor den Pfadilagern übernachtete sie jeweils mehrmals bei ihrer Oma. Das gab ihr Selbstvertrauen und half ihr schliesslich, auch die Lagernächte einigermassen gut zu überstehen.
An deiner Stelle würde ich auch den Klassenlehrer informieren. Es ist immer besser, wenn die Leitung Bescheid weiss. Aber das ist es dann. Mit ungefragten Ratschlägen an die Lehrperson würde ich mich zurückhalten. Vertrau ihm oder ihr, sie wissen schon, was sie zu tun haben.
Auch würde ich deinen Sohn möglichst nicht anrufen. Ich finde, es gibt nichts Schlimmeres, als Eltern, die selbst während der Klassenreise ihre Kinder mit Textnachrichten bombardieren oder jeden zweiten Tag anrufen. Das hilft dem Kind wenig und ärgert einzig den Lehrer.
Du kannst deinem Sohn auch helfen, in dem du den Abschied kurz und knapp hältst. Gib ihm das Gefühl, dass du ihm die Klassenfahrt zumutest. Dann kommt sicher alles gut!
- Auswärtsschlafen trainieren. Kind bei Freunden oder Grosseltern übernachten lassen.
- Vorfreude wecken.
- Reise durchgehen. Wohin geht’s? Wie schaut es dort aus? Was erwartet die Schulklasse?
- Mit dem Kind gemeinsam den Koffer packen. Ein Lieblingsshirt, Foto, Glücksbringer, (allensfalls Plüschtier) mitgeben.
- Keine Abschiedsszenen. Wenn man seinen Kindern das Gefühl vermittelt, dass man ihnen etwas zutraut, fühlen sie sich stärker.
- Bleibe stark und vermeide möglichst selbst zu weinen.
- Keine Anrufe und SMS.
- Möglichst nicht telefonieren und auch keine Textnachrichten schreiben. Erst wenn das Kind es nicht von alleine schafft würde ich anrufen. Falls telefonieren, dann muntere das Kind auf. «Du schaffst das schon. Komm, versuchen wir doch eine Nacht». Erkläre ihm, dass Heimweh ganz normal ist und auch wieder vergehen kann.
Nun wünsche ich deinem Sohn viel Spass im Lager!
Herzlich,
Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.