Meine Tochter (7) ist seit zwei Jahren trocken. Doch seit einigen Wochen macht sie nachts wieder regelmässig in die Hosen. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Da ich meine Maus nicht blossstellen möchte, wage ich nicht, mich mit andern Müttern darüber auszutauschen. Ist dir die Problematik bekannt? Was kann ich tun? - Sandra (36)
Liebe Sandra
Bettnässen ist in unserer Gesellschaft leider ein grosses Tabu. Dabei sind fast zehn Prozent der Kinder in der Schweiz, also rund 90‘000 Kinder im Alter von vier bis 15 Jahren, nicht zuverlässig trocken. Ich hoffe, dass dich diese Fakten etwas beruhigen.
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Es ist mir aber bewusst, dass das nächtliche Einnässen eine enorme Belastung für dich und die ganze Familie darstellt. Da sind Scham- und Schuldgefühle und ein Berg voll Wäsche. «Auf Dauer kann dies auch dem Selbstwertgefühl des betroffenen Kindes schaden», sagt Norma Ruppen-Greeff, Psychologin und Sexualpädagogin am Kinderspital Zürich.
In den häufigsten Fällen produziert der kleine Körper schlicht zu viel Urin und das Kind nimmt im Schlaf die volle Blase nicht rechtzeitig wahr. Hier kann es helfen, wenn du deine Tochter vor dem Zubettgehen noch einmal auf die Toilette schickst. Oder sie tagsüber ermutigst, mehr zu trinken, so dass sie abends weniger durstig ist und nicht nach dem Znacht noch mehrere Gläser trinkt.
Macht ein Kind aber nachts plötzlich wieder in die Hosen, obwohl es eigentlich trocken war, kann laut Ruppen-Greeff ein psychisches Leiden dahinter stecken. Oft sind unerwartete Veränderungen die Ursache – etwa die Trennung der Eltern, die Geburt eines Geschwisterchens oder der Tod eines geliebten Menschen.
Ich denke, liebe Sandra, das Wichtigste ist, dass du deiner Tochter keine Vorwürfe machst, sie nicht beschimpfst oder bestrafst. Der Sohn einer Kollegin wurde zum Beispiel erst wieder trocken, als sie sich nicht mehr über die nassen Laken enervierte. Aber wir machen alle Fehler. Und an manchen Tagen fehlt uns einfach die Energie, unser Handeln permanent zu hinterfragen. Umso dringender scheint es mir, dass wir offener über die Thematik reden. «Es ist für die ganze Familie enorm wichtig zu wissen, dass das Kind nicht mit Absicht einnässt», sagt Ruppen.
Auch Familientherapeutin Anna Goetsch appelliert an die Vernunft der Erwachsenen. «Das Kind braucht in dieser Situation besonders viel Liebe und geduldige, einfühlsame Eltern.»
Eine Idee wäre es, mit deiner Tochter eine Agenda zu führen, in der ihr die trockenen Nächte festhaltet. Laut Goetsch entwickelt das Kind dadurch ein Bewusstsein für die Problematik. Das Gute: «Handelt es sich um ein seelisches und nicht um ein medizinisches Leiden, geht das nächtliche Einnässen meist von alleine vorüber.»
- Rede offen mit deiner Tochter. Sag ihr, dass es vielen anderen Kindern gleich geht und sie mit ihrem Problem nicht alleine ist.
- Bespreche die Problematik mit dem Kinderarzt. Er kann euch begleiten, wenn nötig ein medizinisches Problem ausschliessen oder weitere unterstützende Massnahmen anbieten.
- Wie wärs, wenn du zwei zusätzliche Moltons oder Badetücher auf das Leintuch legst? So musst du das Bett nicht täglich frisch beziehen.
- Lobe deine Tochter für die Nächte, in denen sie trocken bleibt.
- Bleib einfühlsam und geduldig. Schimpfen macht alles nur schlimmer.
Viel Erfolg!
Herzlich,
Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.