1. Home
  2. Family
  3. Familientreff
  4. Kindergarten August 2020: Schnuppertag fällt wegen Corona aus
Romina weiss Rat

Nicht alle Kinder dürfen an den Kiga-Schnuppertag

Aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen dürfen nicht alle Kinder an den traditionellen Schnuppertag im Kindergarten. Dabei wäre dieses Kennenlernen für die künftigen Kindergartenkinder wichtig, sagt Familienexpertin Romina Brunner. Sie ist nicht die Einzige, die das Vorgehen kritisiert.

Artikel teilen

A multi-ethnic group of preschool students is sitting with their legs crossed on the floor in their classroom. The mixed-race female teacher is sitting on the floor facing the children. The happy kids are smiling and following the teacher's instructions. They have their arms raised in the air.

Im August startet ein neuer Kindergarten-Jahrgang: Die Schnuppertage fallen wegen dem Coronavirus teilweise aus.

Getty Images
Romina Brunner, SI Online Familien Bloggerin, bei sich zu Hause in Birchwil ZH, am 09.11.2018, Foto Lucian Hunziker
Romina Brunner

Mein Sohn kommt im August in den Kindergarten. Nun wurde aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen der Schnuppertag abgesagt. Da wir erst seit Februar in der Gemeinde wohnen, kennen wir weder die Kindergartenlehrperson noch die anderen Kinder. Darf ich vielleicht einfach mal im Kindergarten vorbei gehen oder ist das unanständig? Und wie könnte ich mein Kind ohne Schnuppertag auf den neuen Lebensabschnitt vorbereiten? – Andrea

Liebe Andrea

Ich kann dir nachfühlen. Auch unsere Tochter kommt im August in den Kindergarten und unsere Lehrpersonen haben wegen des Coronavirus das traditionelle Schnuppern im Kindergarten abgesagt. Vor wenigen Tagen flatterte ein liebevoll verfasster Brief von ihren zukünftigen Kindergärtnerinnen ins Haus. «Im Moment ist bei uns alles ein bisschen anders. Die Kinder dürfen zwar wieder wie gewohnt in den Kindergarten. Doch die Hygienevorschriften und das Schutzkonzept bleiben bestehen. Aus diesem Grund darf dieses Jahr leider der traditionelle Schnuppernachmittag nicht stattfinden», schreiben die Lehrpersonen. Darunter sind drei Frauen auf Porträtfotos abgebildet. Und weiter: «Für Fragen rufen Sie gerne an.»

Fragt Romina!

Habt ihr auch ein Thema, das euch beschäftigt? Dann schreibt ein Mail an romina@schweizer-illustrierte.ch

Auf Nachfrage kam die Absage

Eine liebevolle Geste, doch unsere Tochter konnte mit den drei freundlich lächelnden Gesichtern herzlich wenig anfangen. Ich konnte ihr nicht einmal mit Sicherheit sagen, welche der Damen nun ihre Hauptlehrerin ist. Kein Problem, dachte ich, dann gehen wir nach der Stunde kurz vorbei und sagen Hallo, damit sie wenigsten die Lehrerin schon mal gesehen hat. Das gibt ihr Sicherheit.

Weil ich mit einem Spontanbesuch die Lehrperson nicht bedrängen wollte, schrieb ich eine SMS mit der Bitte um ein kurzes Kennenlernen nach der Stunde. Die Absage war freundlich und bestimmt. Die Bestimmungen liessen dies leider nicht zu, antwortete die Kindergärtnerin. 

So sieht ein Schnuppertag aus

Grosse Augen machte unsere Tochter kurz darauf, als ihre gleichaltrige Freundin aus dem Zürcher Weinland von ihrem Schnuppernachmittag erzählte. Zwar verzichteten die Verantwortlichen auch dort auf den regulären Besuchsmorgen und den Eltern-Infoabend. Doch die Kindergärtnerin lud die künftigen Kindergartenkinder an einem Freitagnachmittag trotzdem ins Klassenzimmer ein.

Aufgeteilt in Gruppen von je drei Personen durften die Neulinge einen Postenlauf bestreiten. Vorschriftsgemäss hiess es beim ersten Posten «Händewaschen», dazu lief das passende Musikstück von den Schwiizergoofe. Es gab Aufgaben in der Familien-Ecke, im Bau- und im Bastelzimmer. Ein Höhepunkt waren die Videobotschaften von den jetzigen Kindergärtlern. Sie stellen sich vor und erzählten, was genau sie so sehr an dem Chindsgi mögen. Mit einem Symbolbild für den eigenen Stuhl und den zugewiesenen Garderobenplatz sowie ausgerüstet mit dem Kindergarten-Leuchtgurt ging es heim. Das Mädchen erzählte voller Freude und Stolz davon.

Chindsgi-Luft durfte auch eine weitere Freundin meiner Tochter aus Rapperswil SG schnuppern, allerdings in zeitlich verkürztem Rahmen mit nur einer Begleitperson – doch immerhin! Auch im Thurgau bei den Kindern einer Freundin war das Schnuppern möglich. Allerdings dürfen die Schüler dort schon seit Ende den Lockdowns wieder in Vollzahl zurück ins Klassenzimmer. Somit erstaunt die Offenheit nicht.

Da fragt man sich schon: Wie kommt es, dass überall andere Regeln gelten?

Das sagt die oberste Kindergartenlehrerin dazu

Die oberste Kindergartenlehrerin Ruth Fritschi schreibt auf Anfrage dazu: «Aufgrund der bis heute geltenden strengen Schutzmassnahme-Vorgaben des Bundes ist es tatsächlich so, dass es Schulträger gibt, die den traditionellen Schnupperbesuch im Kindergarten nicht erlauben», so Fritschi. Seit der Aufhebung des Notrechts durch den Bundesrat liege die Verantwortung für die Einhaltung der Schutzmassnahmen bei den Kantonen. In unserer föderalistischen Schweiz werde die Einhaltung der Schutzmassnahmen in den Kantonen und in den Gemeinden unterschiedlich streng ausgelegt. 

Der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz kritisiere die grossen Unterschiede bei der Auslegung der Schutzmassnahme-Regelungen seit der Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts. Fritschi: «Es ist zu hoffen, dass die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) beim Bundesrat bis zum Schulbeginn August 2020 noch weitere Lockerungen erwirken kann und der Schulbetrieb im August 2020 mit Hygiene-Massnahmen wieder normal stattfinden kann.»

«Der Schnupperbesuch ist für die Kinder sehr wichtig.»

Ruth Fritschi, oberste Kindergartenlehrerin der Schweiz

Die oberste Kindergärtnerin gesteht: «Auch meine Praxiserfahrungen zeigen, dass ein Schnupperbesuch im Kindergarten sehr wichtig ist, damit sich Kind und Eltern gut auf den Schulstart vorbereiten können. Die Kinder wollen wissen, wie es dort im Kindergarten aussieht und welches Gesicht sie zum Schulbeginn im Kindergarten erwarten wird. Dies gibt den Kindern eine kleine Portion Sicherheit, denn der Schritt von der kleinen Gemeinschaft Familie in die grosse Gemeinschaft Klasse und Schulbetrieb ist doch ein grosser Schritt», so Fritschi.

Das Kind ohne Schnuppertag vorbereiten

Liebe Andrea, ich hätte deinem Sohn und unserer Tochter einen anderen Start gewünscht. Doch es lässt sich nichts ändern. Entscheidend ist nun, was du daraus machst. Gehst du in die Opferhaltung oder mutest du deinem Kind zu, dass es den Kindergarten-Einstieg auch so schafft? 

Noch bleibt dir genügend Zeit, deinen Sohn auf seinen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten. Mein Rat: Mach den Kindergarten nun immer wieder zum Thema. Lauf den Weg ab. Schaut euch das Gebäude an. Welche Tür führt in sein Klassenzimmer? Kann er an einem freien Nachmittag durch die grossen Fenster schauen? Vielleicht trefft ihr ja da auf ein künftiges Gspänli. Erzähle ihm, was ihn erwartet. Welche Spielsachen wird er vorfinden? Und ganz wichtig: Welche Fragen hat er? Was macht ihm Angst? Worauf freut er sich? Und was hast du selbst als Kind am Kindergarten gemocht? 

Ich bin sicher, liebe Andrea, dass dein Sohn einen guten Start in den Kindergarten haben wird. Und ja, ich würde die Lehrerin mal kontaktieren. Denn auch das «Hallo sagen» handhaben alle Lehrer unterschiedlich, erfahrungsgemäss sogar selbst in der gleichen Gemeinde. 

Zuversicht hilft! Für uns Eltern ist es wohl die erste wichtige Lektion in loslassen und vertrauen. Und das ist auch gut so.

Ich wünsche euch von Herzen einen guten Start in den Kindergarten!

Herzlichst,
Romina

Von Romina Brunner am 23. Juni 2020 - 07:09 Uhr