Vor fünf Monaten ist mein neuer Partner bei uns eingezogen. Seither ist nichts mehr wie es war. Vor allem mein jüngster Sohn (8) verhält sich zunehmend aggressiv. Er meidet meine neue Liebe und lässt sich von ihm nichts sagen. Das führt auch zu Konflikten zwischen uns. Ich habe mir alles viel einfacher vorgestellt, da meine drei Kinder meinen Lebenspartner erst gerne mochten. – Sandra (42)
Liebe Sandra
Was sind wir Frauen doch für heillose Romantikerinnen! Da haben wir das Glück und finden einen neuen Partner, er mag Kinder, sie akzeptieren ihn. Jetzt fehlt nur noch das gemeinsame Dach. Was soll da schon schief gehen?
Doch so einfach läuft das Leben meistens nicht. Bis frische Beziehungen zu einer tragfähigen Familie zusammenwachsen, braucht es vor allem eins: viel Zeit und Geduld. Dein Partner und deine Kinder haben sich nicht gewählt. Auch wenn sie sich gerne mögen, gibt das noch lange keine Garantie, dass auch das Zusammenleben funktioniert.
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Wie in jeder klassischen Partnerschaft prallen auch in Patchworkfamilien oft unterschiedliche Erziehungsstile und Wertvorstellungen aufeinander, was gerne zu Konflikten führt. Doch mit ein paar einfachen Tipps, kann sich eure Situation sicher etwas beruhigen.
«Dem neuen Mann steht keine Vaterrolle zu. Für die Erziehung ist einzig die Mutter verantwortlich, zusammen mit dem leiblichen Vater.»
Anna Goetsch, Familientherapeutin
Ganz wichtig: Dein Partner darf sich nicht in die Erziehung einmischen, auch wenn er dich bloss unterstützen will. «Dem neuen Mann steht keine Vaterrolle zu. Für die Erziehung ist einzig die Mutter verantwortlich, zusammen mit dem leiblichen Vater», sagt Familientherapeutin Anna Goetsch. Es kann gut sein, dass sich das Trotzverhalten deines Jüngsten bessert, wenn er sich vorerst zurücknimmt. Das Benehmen deines Sohnes ist sicher auch ein Signal an deine Adresse. «Ein Kind, das sich auffällig benimmt, braucht meistens zusätzliche Aufmerksamkeit», erklärt Goetsch. Warum fährst du mit ihm nicht mal alleine weg?
Wie wärs, wenn ihr ein wöchentliches Familienmeeting einberuft? Mit Spielleiter und Protokollführer? Das Konzept ist einfach und sehr wirkungsvoll. Jedes Familienmitglied bekommt eine Redezeit von fünf Minuten. Es sagt, wie es sich fühlt, was es stört, freut und ärgert. Die anderen hören zu, ohne zu unterbrechen. Haben sich alle ihren Kummer vom Leib geredet, kann die Familie gemeinsame Regeln aufstellen. «An diese Abmachungen müssen sich alle halten. Bricht ein Kind die Regeln, darf auch der neue Partner einschreiten», sagt Goetsch.
Die Wochenrituale können lodernde Feuer beruhigen und stärken das gegenseitige Vertrauen. Befähige doch deinen Sohn mit einem Sonderjöbli. Er kann zum Beispiel die Zeit stoppen, die neuen Hausregeln malen oder aufschreiben. «Eine solche Aufgabe gibt dem Kind eine enorme Wertschätzung und ein Verantwortungsgefühl», erklärt Goetsch.
Wichtig ist aber, dass die Geschwister nicht vergessen gehen. Ansonsten sind Eifersüchteleien vorprogrammiert.
Die Fünfminuten-Speeches kann ich auch dir und deinem Partner wärmstens empfehlen. Eine meiner Freundinnen hat auch dank der wöchentlichen Meetings ihre Eheprobleme in den Griff bekommen. Mittlerweile bin ich selbst ein grosser Fan davon.
Falls sich eure Situation nicht beruhigen sollte, würde ich eine neutrale Drittperson einbeziehen. Für dich als Stadtzürcherin sind folgende Adressen hilfreich:
www.zefzh.ch
www.pinocchio-zh.ch
www.patchwork-familie.ch
www.beratungsstelle-scala.ch (in Solothurn)
Herzlich, Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.