In den Sommerferien fahren mein Mann und ich mit unseren drei Kindern nach Spanien. Doch uns ist jetzt schon ganz bange vor der Reise. Die letzten beiden Male war die neunstündige Autofahrt der Horror! Die Kinder jammerten und stritten die ganze Zeit. Das Geschrei war teilweise so laut, dass mein Mann sich nicht mehr auf das Fahren konzentrieren konnte. Hast du mir einige Tipps, um die Fahrt gut zu überstehen? - Lea (39)
Liebe Lea
Ferienreisen stellen viele Familien auf eine Zerreissprobe. Denn die Erwartungen aller Beteiligten sind hoch, die Spannung greifbar, die Konflikte vorprogrammiert. Viele strenge Arbeitswochen liegen hinter uns. Die Kinder haben vor den Ferien teilweise wichtige Prüfungen abgelegt, Zeugnisse bekommen und vielleicht auch emotionale Abschiede gefeiert.
Vor der Reise mussten dann noch husch das Haus geputzt, das Gepäck verstaut, Blumen versorgt und die Nachbarn verabschiedet werden. Ist dann die Anspannung erst mal weg, maulen und nörgeln auch noch die Kinder auf der Rückbank. Doch das alles muss nicht sein, wie meine Erfahrung aus meiner eigenen Kindheit zeigt. Unsere langen Autofahrten nach Italien oder Spanien habe ich jedenfalls in bester Erinnerung.
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Das hatte mehrere Gründe: Erstens war sich mein Vater nicht zu schade, früh aufzustehen. Meist fuhren wir um zwei oder drei Uhr morgens los. Er trug uns dann noch schlafend ins Auto.
Ich kann mich erinnern, dass ich jeweils an der Grenze in Chiasso kurz aufgewacht bin, die Mikrofon-Geräusche registrierte und den Gesprächen der Zöllner lauschte. Noch bevor mein Vater zum Abschied freundlich grüsste, schlief ich friedlich weiter. Meist erwachten wir zwei, drei Stunden später, dösten erst noch eine Weile, bis der Hunger sich meldete oder die Blase drückte.
Die weiteren Autostunden verbrachten wir mit Singen und Spielen. Unsere Favoriten waren: «Ich gseh öppis, wo du nöd gsehsch ...», oder «Tante Emma packt den Koffer und nimmt mit ...».
Laut gelacht haben wir aber auch beim Spiel «Personen raten» (Ein Spieler denkt sich eine Person aus, zum Beispiel die Nachbarin, den Fussballtrainer oder die Handarbeitslehrerin), die andern müssen durch Fragen erraten, um wen es sich handelt (Ist die Person gross, klein, dick, weiblich, männlich oder sportlich?).
Das Beste aber war Mama’s rosarotes Wundertütensäckli. Jede Stunde durften wir mit verschlossenen Augen nach einem «Päckli» greifen. Einzige Bedingung: Wir mussten «lieb sein». Ein Gezanke auf der Rückbank war tabu. Wenn wir doch zankten, gabs nichts. Dass wir so jeweils eine Stunde locker durchhielten mit brav sein, versteht sich von selbst.
Rückblickend war auch die Strenge meines Vaters hilfreich. Er wollte nämlich möglichst durchfahren und keine Zeit mit unnötigen Raststätten-Stopps verlieren. Alle drei Stunden gab es eine Pinkelpause. Gegessen haben wir im Auto. Das Blasentraining gab es jährlich zweimal auf der dreistündigen Fahrt ins Engadin. Da hielt mein Vater gar nicht erst an. Meine Freundinnen fandens grausam, doch in die Hosen hat keiner gemacht.
Liebe Lea, das Reisen in der Nacht hat sich auch für meine Familie bewährt. Wir schauen sogar, dass wir antizyklisch, zum Beispiel erst am Sonntag früh losfahren können. So haben wir freie Fahrt und keine Lastwagen.
Herzlich, Romina
Unsere Expertin für Familienfragen
Nie waren Eltern so gut informiert wie heute. Und nie war es schwieriger, im Dschungel aus Ratgebern und Internetforen den besten Weg für den eigenen Nachwuchs zu finden. Unsere Familien-Expertin Romina Brunner hilft, Ordnung zu schaffen. Regelmässig berät die zweifache Mutter und Journalistin die SI-Family-Community zu Themen und Fragen aus dem Familienalltag.