Eine junge Frau, die wegen einer Blasenentzündung in die Praxis kommt: Das ist Alltag für Hausarzt und Infektiologe Andreas Kronenberg. In jenem Fall wurde er allerdings besonders hellhörig, da die Patientin eine kürzliche Indien-Reise erwähnte.
Wie vermutet, fand er heraus, dass die Blasenentzündung durch antibiotikaresistente Keime ausgelöst wurde, die sie aus Indien eingeschleppt hatte. Um die junge Frau wirksam zu behandeln, musste Kronenberg mittels eines Urintests Informationen zu den Erregern gewinnen, erst so konnte er ein passendes Antibiotikum finden.
In südlichen Ländern und im Osten ist das Risiko, sich mit resistenten Keimen anzustecken, besonders hoch. Diese gelangen beispielsweise über die Nahrung oder Wasser in den Körper. Auch Tiere sind Träger.
Achtzig Prozent der Indien-Reisenden etwa kommen wie die junge Patientin mit Extended-Spectrum-Beta-Lactamase-Keimen, kurz ESBL, zurück. Bei ihnen sind die für den Darm eigentlich normalen und nützlichen Enterobakterien in der Lage, ein Protein zu produzieren, das verschiedene Penizilline inaktiv macht. «Die Touristen sind kolonisiert, also Träger von ESBL. Das heisst aber nicht, dass sie auch zwingend erkranken müssen», so der Infektiologe.
Meist werden Blasenentzündungen von den eigenen Darmkeimen verursacht, Frauen und Mädchen sind aus anatomischen Gründen besonders betroffen. Sind ESBL-Keime im Spiel, wird die Genesung erschwert, da nicht mehr jedes Antibiotikum wirkt. Reagiert der Arzt nicht richtig oder wird die Blasenentzündung nicht behandelt, kann sie sich zu einer Nierenbecken-Entzündung ausweiten, bis hin zu einer Blutvergiftung. «Dann muss man Patienten hospitalisieren und intravenös mit komplexeren Antibiotika behandeln», sagt Andreas Kronenberg. «Es ist darum sehr wichtig, dass man als Patient im Gespräch mit dem Arzt vergangene Auslandreisen stets erwähnt.»
Doch wie lange nach einer Reise bleiben solche Darmbakterien im Körper? Eine schwierige Frage: Die Konzentration der Erreger und somit die Gefahr nimmt innerhalb von sechs Monaten stetig ab. Nach einem Jahr kann man sie meist gar nicht mehr nachweisen. «Wir wissen aber bis heute nicht, ob man ESBL-Bakterien wirklich ganz verliert oder ob einzelne Erreger im Körper bleiben», so Kronenberg.
«Besonders die Situation in Italien macht uns Sorgen»
Infektiologe Andreas Kronenberg
Indien ist eine exotische Destination – doch man muss gar nicht so weit reisen. Auch in Italien, Griechenland, Albanien und Russland sind multiresistente Bakterien ein Problem. Wichtige Ursachen sind der hohe und unsachgemässe Einsatz von Antibiotika sowie mangelnde Hygiene im Gesundheitsbereich.
«Besonders die Situation in Italien macht uns Sorgen, durch die Nähe nehmen hochresistente Keime auch in der Schweiz klar zu», sagt Kronenberg. Er leitet neben seiner Tätigkeit als Hausarzt das Zentrum für Antibiotikaresistenzen (Anresis) an der Universität Bern, das Fälle aus der ganzen Schweiz erfasst und in diesem Bereich forscht. Gemäss einer Hochrechnung von Anresis sterben hierzulande jährlich gegen 300 Menschen an multiresistenten Keimen. Das sind etwas mehr Leute, als jedes Jahr im Strassenverkehr ums Leben kommen.
Schützen kann man sich als Tourist nur begrenzt vor antibiotikaresistenten Keimen. Neben der erwähnten Blasenentzündung verursachen sie zahlreiche weitere Beschwerden. Häufig sind Hautoder Wundinfekte. Die höchste Gefahr besteht, wenn man in einem der genannten Länder operiert werden muss, etwa nach einem Autounfall. Es ist also nicht falsch, wenn man auch in den Ferien keine unnötigen Risiken eingeht.
Sonst gelten die allgemeinen Massnahmen, die auch gegen Reisedurchfall helfen: Hände regelmässig waschen, nur sauberes Wasser trinken und konsequent die altbekannte Ernährungsregel befolgen: «Cook it, boil it, peel it or forget it!» – «Koch es, brat es, schäl es, oder vergiss es!»