Kakadu Ritzel sitzt auf der Kopfstütze von Sandros Rollstuhl und faltet seine imposante Haube auf. Mama Astrid, 34, und Papa Martin, 45, beobachten gespannt, wie sich der Weisshauben-Kakadu behutsam ihrem Sohn Sandro nähert. Für einen Moment hat man das Gefühl, er kommuniziere mit dem fünfjährigen Buben. Sandro ist seit Geburt behindert, er kann weder sprechen noch gehen oder essen. Aber wenn er Vogelgezwitscher hört, ist der fröhliche Bub aus Sarmenstorf AG in seinem Element. «Sandro nimmt Geräusche sehr gut auf», erklärt Vater Martin. Auch viele Tiere reagieren auf ihn: «Sie spüren, dass Sandro anders ist, und werden ruhiger.»
Parkbesitzer Rolf Lanz, 69, betrachtet die kleine Familie, die ab Herbst zu viert sein wird, und freut sich: «Endlich ist niemand mehr von einem Besuch bei uns ausgeschlossen.»
Noch vor wenigen Monaten führte ein tiefer Kiesweg durch den schmucken Park im Fricktal – keine Chance für Rollstühle, Rollatoren und Kinderwagen. Dank einem Crowdfunding auf der Online-Plattform Lokalhelden.ch und Sponsoren wurde der Vogelpark über den Winter für rund 90 000 Franken barrierefrei gemacht: Ein harter und flacher Mergelbelag ersetzt den Kies. In den Sanitäranlagen hats jetzt ein Behinderten-WC. Die Stiftung Cerebral Schweiz spendete eine Extra-Sitzbank für Menschen mit Handicap.
Familie Koch hat den umgebauten Park kurz vor seiner Eröffnung «getestet». Den Van kann sie in der Nähe des Parkeingangs auf dem neuen Behinderten-Parkplatz abstellen. Am Eingang grüsst neben Hyazinth-Ara Blue (der Vogel hat eine Flügelspannweite von einem Meter!) auch der Ara Ambigua, der Namensgeber des Parks. Der hellrote Ara Pascha späht durch ein Törchen und gibt unablässig sein Kauderwelsch zum Besten. «Den verstehe nicht mal ich», lacht Rolf Lanz. Sandro zappelt vor Freude. Mama Astrid hat sich inzwischen mit Blue angefreundet, der ihr am Gitter hinterherklettert.
Gemütlich schlendern die Eltern weiter durch das liebevoll gestaltete Gelände, vorbei am Teich und den Gehegen mit über 400 Papageien und Sittichen. Artenschutz und Auffangstation sind die wichtigsten Aufgaben von Rolf Lanz’ Lebenswerk, das Ende Jahr in eine Stiftung überführt wird. Der Park muss sich selber finanzieren. Einnahmen werden mit Spenden und dem Eintritt (Familienticket CHF 28.–) sowie Events erzielt. Zwischen Mai und Dezember organisiert Lanz Buurezmorge, Hacktätschli-Abend, Kinderworkshops, Asia Buffet, Wähentag oder Raclette im rustikalen Outdoor-Beizli. Auch Kindergeburtstage werden hier gerne gefeiert.
Für Sandro endet der Parkbesuch heute mit einem besonders tollen Präsent: Wildtierpflegerin Noémie Appert, die einzige Angestellte neben vielen Freiwilligen, bringt zwei echte Schwanzfedern – eine blaue von Blue, eine rot-orange-blaue vom Ara Ambigua. Mama Astrid streicht ihrem Sohn damit sanft übers Gesicht. Sandro schliesst die Augen, geniesst und lacht, während die Eltern ein Fazit ihres Parkbesuchs ziehen: «Der Vogelpark Ambigua ist auch für Rollifahrer absolut einen Ausflug wert. Wahnsinn, was das Team leistet, allen voran Rolf Lanz, der wirklich für seine Vögel lebt.»
Sandro hört das freilich nicht mehr. Er ist vor lauter Erschöpfung eingeschlafen.
Informationen zum Vogelpark Ambigua: www.vogelpark-ambigua.ch
Der Park ist bis 3. November mittwochs und samstags jeweils von 13 bis 18 Uhr sowie sonntags von 11 bis 18 Uhr (mit Grill) geöffnet.