Da kommt Bewegung in die Kinder. Sekunden zuvor sind sie noch ruhig am Boden vor einem Kunstwerk gesessen. Jetzt springen sie auf, werfen sich mit gestreckter Faust in Pose wie Superman oder gleiten in den Spagat. «Ich geh ins Tanzen», sagt Csenge Kiss, 7, und streckt ihr rechtes Bein in die Luft. Ihr Bruder Larion, 9, steht schon seit 17 laut gezählten Sekunden auf einem Bein, bevor er das Gleichgewicht verliert. Und grinst: «Mein Hobby ist Lego bauen, nicht tanzen.»
Wir befinden uns im ersten Stock des Zürcher Haus Konstruktiv in der Ausstellung des südafrikanischen Strassenkünstlers Robin Rhode. Die Kunstpädagogin Ladina Gerber leitet an diesem stürmisch-kalten Tag das Sonntagsatelier für Kinder.
«Der Künstler Rhode hat hier während eineinhalb Wochen die Wände mit Pinsel und Farbe bemalt», erklärt Gerber den Kindern, die vor einer Wand mit orangefarbenen Ornamenten im Halbkreis sitzen. Zwölf Fotos hängen darauf. «Für diese Arbeit hat Rhode eine Wand in Johannesburg bemalt, dann Freunde davor tanzen lassen und alles fotografiert», sagt Gerber.
Die Kinder sitzen mucksmäuschenstill da und hören ihr gespannt zu. Ob die Wand heute immer noch so schön farbig sei, will ein Kind wissen. «Nein, Rhode machte sie danach sauber, als wäre nie etwas gewesen.» Das finden die Kinder jammerschade, doch da Gerber sie nun auffordert, selber Figuren darzustellen wie auf den Fotos, währt die Enttäuschung nur kurz.
Bevor der Lärmpegel aufgrund der Turnerei zu hoch wird, folgt der zweite Teil des Kurses: Angeregt vom eben Gesehenen, gestalten die elf Kinder selber ein Werk. Zuoberst unter dem Dach befindet sich das Museumsatelier mit Tischen, ausgelegt mit alten Zeitungen, darauf je ein weisses A4-Papier. Etwas schüchtern sagt Csenge zur Kursleiterin: «Ich bin zu klein für diesen Tisch», und bekommt – schwups – eine handvoll Kissen als Unterlage.
Strahlend setzt sich das Mädchen darauf, nun fast so hoch wie der Bruder. Der hat bereits die Schere in die eine und Klebband in die andere Hand genommen. Er schneidet Stück um Stück vom Band ab, klebt es aufs Papier. Leiterin Ladina Gerber hat es vorgemacht. Inspirieren lassen sich die Kinder von der Arbeit der Schweizer Künstlerin Claudia Comte. Diese hat die Wände des Kaffees im Haus Konstruktiv gestaltet, wo der Workshop beginnt und endet.
Larion arbeitet darauflos, «Chrüsimüsi halt», verkündet er, und kämpft immer mal wieder mit der Zeitung, wenn das Klebband darauf landet statt auf dem Papier. Csenge ist vorsichtiger, klebt ihre Streifen von zwei Seiten parallel aufeinander zulaufend, «so werde ich Rechtecke machen». Jedes zuvor abgeklebte Feld wird dann mit Farbe bemalt.
Später ziehen die Kinder das Klebband wieder ab, wodurch weisse geometrische Muster zwischen den Farbflächen zum Vorschein kommen. Hoch konzentriert sind alle, und während im Raum kaum ein Mucks zu hören ist, breitet sich der Geruch von frischer Farbe aus.
«So schön, einfach wieder einmal Zeit zu zweit zu haben»
Die Eltern Kiss, Katalin und Csaba, sitzen zur gleichen Zeit entspannt unten im Kaffee. «So schön, einfach wieder einmal Zeit zu zweit zu haben», sagt Katalin. Zuvor haben auch sie sich an einer Führung Rhodes Ausstellung angesehen. Katalin findet die Werke – sehr diplomatisch – «mal etwas anderes», Csaba gefällts. Sagts – und schon ist die freie Elternzeit bereits wieder vorbei. Gespannt begutachten die beiden nun die Werke von Larion und Csenge, die diese ihnen stolz entgegenstrecken.