Anouk greift nach der Hand von Papa Philip, 40, und hält einen Moment inne. Wie fühlt sich seine Hand an? Ist sie kalt oder warm? Feucht oder trocken? Mit ruhigen Bewegungen beginnt die Achtjährige die Handinnenfläche ihres Vaters zu massieren. Der Betriebsökonom liegt mit geschlossenen Augen auf einer bequemen Matte.
Gemeinsam mit ihrem Papa, einem weiteren Vater, sechs Müttern und deren Kindern besucht Anouk den Eltern-Kind-Massagekurs im Studio «Yoga am Zürichberg». Den schlichten hohen Raum kennt sie gut. Er gehört Mama Claudia, die mit Anouks kleiner Schwester Ronja, 6, ebenfalls am Kurs teilnimmt.
In aufrechter Haltung sitzt Kursleiterin Pascale Jacot-Descombes, 56, da. Die Mitgründerin der Ko Schule für Shiatsu strahlt Ruhe aus, man merkt, dass sie ihre Arbeit liebt.
Das Eis wird schnell gebrochen. «Ich bin Pascale und habe meinen Bauchnabel mit dabei», startet sie die Vorstellungsrunde mit dem Rucksackspiel. Kichernd nennt ein Kind nach dem andern seinen Namen, zeigt auf einen Körperteil und zählt dazu nach bestem Erinnerungsvermögen alle Details der Vorgänger auf.
Auch später, als es mit den Massage-Techniken losgeht, verstehen alle die Anweisungen von Pascale mühelos. Eine Übung heisst zum Beispiel «Weggli brechen».
Die Kinder streichen dabei ihre Handballen und Daumen von der Mitte des Eltern-Handrückens zur Seite, so, als würden sie ein Weggli brechen.
Mithilfe des Sprüchlis «Das isch dä Tuume, dä schüttlet Pfluume, dä list si uuf, dä treit si hei, und dä Chly, dä frächi Siech, isst si ganz allei» massieren die Kinder der Reihe nach die Mami- oder Papi-Finger vom Daumen bis zum kleinen Finger.
Genüsslich kneifen sie danach die Schwimmhäute, umrunden den Nagelansatz und widmen sich dem Handgelenk. Hände, Füsse und Kopf – diese drei Bereiche stehen heute auf dem zweieinhalbstündigen Programm.
Nach jeder Etappe tauschen sich Eltern und Kind aus. «Deine Hand war am Anfang ganz kalt, Papa, jetzt ist sie schön warm», sagt Anouk. Das Massieren des Handballens und der Fingerspitzen mochte Philip dabei am liebsten.
Jetzt darf Anouk sich für eine Fussmassage hinlegen. Der Ablauf funktioniert ähnlich wie bei den Händen: sich bequem hinsetzen, Kontakt aufnehmen, massieren.
Pascale zeigt den Eltern eine Technik, die sie «den Scheibenwischer» nennt. Eine Hand hält dabei den Fuss fest, während die andere wie ein Scheibenwischer schnell über alle Zehen hin und her fährt.
«Wichtiger als die richtige Technik ist eure Präsenz. Massage bedeutet Austausch, da sein, das Du und Ich treten in Verbindung. Was gefällt meinem Kind, was mag es nicht? Jedes Kind ist anders. Die einen mögen viel Druck, andere lieber zartes Streichen», erklärt die Shiatsu-Therapeutin den Eltern.
Anouk kichert. An den Füssen ist die Zweitklässlerin nämlich besonders kitzlig. Am besten gefällt ihr, als Philip mit langen, kräftigen Bewegungen vom Knie übers Schienbein bis zum Fuss und zu den Zehen «alles, was rausmuss, dem kosmischen Entsorgungssystem übergibt», wie Pascale das mit einem Schmunzeln nennt.
Im letzten Teil stellt sich Anouk hinter ihren Papa, der vor ihr sitzt. Behutsam legt sie ihre Hände auf seine Schultern und verlagert langsam ihr Gewicht von einer Seite zur anderen. Dann werden die Schultern geklopft, geknetet und mit kräftigen Bewegungen vom Hals abwärts ausgestrichen.
«Das wird ja richtig heiss», staunt Anouk dabei. Philip ist vom Schulterklopfen besonders angetan. «Das hast du toll gemacht», lobt er seine Tochter.
Die Reichweite einer liebevollen und achtsamen Massage ist enorm: Sie stärkt nicht nur das Vertrauen zwischen Eltern und Kind, sondern auch das Immunsystem. Massieren entspannt, wirkt beruhigend, reduziert Stress und dient als Prophylaxe in allen Lebensbereichen.
Verträumt lehnt sich Anouk am Ende an die Schulter ihres Papas, während er ihre Schläfe mit sanftem Druck massiert. «Ist das schön!», seufzt sie und schläft dabei fast ein.
Der nächste Massage-Kurs findet am 8. September 2019 in Zürich statt. Weitere Infos zum Kursangebot: www.yoga-zürichberg.ch und www.ko-shiatsu.ch