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Pro Natura findet BAG-Empfehlung heikel

«Feiern im Wald dürfen zu keinem Massen-Phänomen werden»

Das Bundesamt für Gesundheit empfiehlt dieses Jahr, Weihnachten draussen im Wald zu feiern. Pro Natura, die älteste Naturschutzorganisation der Schweiz, nimmt gegenüber dieser Empfehlung eine kritische Haltung ein. Wieso, erklärt Andreas Boldt, Projektleiter Freizeitaktivitäten und Naturschutz.

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Familie auf dem Weg zur Waldweihnacht

Eine Familie stört den Wald nicht. Aber was, wenn Hunderte im Wald Weihnachten feiern wollen? Dann wirds problematisch für den Naturschutz.

Getty Images/Westend61

Abstand halten – das geht draussen am besten. Das Bundesamt für Gesundheit BAG hat sich deswegen vor ein paar Wochen bereits dafür ausgesprochen, die Weihnachtsfeier dieses Jahr wegen dem Coronavirus in den Wald zu verlegen.

«Wenn zu viele Leute gleichzeitig im Wald feiern, könnte sich dies negativ auf die Winterruhe der Waldbewohner auswirken»

Andreas Boldt von Pro Natura

Beim Naturschutz stösst diese Empfehlung allerdings auf Kritik. «Wir verstehen selbstverständlich das Bedürfnis der Bevölkerung nach Alternativen angesichts der aktuellen Lage. Es darf aber auf keinen Fall sein, dass solche Feiern im Wald zu einem Massen-Phänomen werden», sagt Andreas Boldt, Leiter Freizeitaktivitäten und Naturschutz von Pro Natura.

Zwar sei es wünschenswert, dass sich die Menschen in der Natur aufhalten. «Das ist gut für die Psyche und lehrreich. Nur wer die Natur kennt, lernt auch, sie wertzuschätzen.»

Sollte es jedoch an Heiligabend und dem Weihnachtstag zu einer Massenwanderung in die Wälder kommen, macht ihm das Sorgen. «Für die einzelne Familie lassen sich zwar die Auswirkungen auf die Natur in Grenzen halten, indem man auf die Natur Rücksicht nimmt. Die Empfehlung des BAG hat jedoch eine problematische Komponente: die Masse. Wenn zu viele Leute gleichzeitig im Wald feiern, könnte sich dies negativ auf die Winterruhe der Waldbewohner auswirken.»

Waldweihnacht ist aus drei Gründen problematisch

Ein Waldbesuch ist unter normalen Umständen meistens nicht heikel. An den Weihnachtstagen kommen jedoch drei Aspekte zusammen, die sich in Kombination zum Problem für die Waldbewohner entwickeln können.

Der Lebensraum als Rückzugsort: In unserem dicht besiedelten Land ist der Wald häufig der einzige, sicher aber der wichtigste Lebensraum für viele Wildtiere. Er ist ihr Rückzugsort, wo sie ruhen und Energie tanken können. Aber auch zur Nahrungsaufnahme und für soziale Kontakte ist der Wald wichtig für die Tiere. Dies sollten alle Besucher respektieren.

Die Nacht als Ausweichzeitraum: Bei uns haben viele Tiere eine nachtaktive Lebensweise, die eigentlich von Natur aus tagaktiv wären. Die nächtliche Aktivität ist ein Ausweichen. Die Tiere haben sich angepasst, weil tagsüber der Mensch omnipräsent ist. Die Nacht ist der Zeitraum, in dem die Tiere sich noch ungestört fühlen.

Der Winter als Ruhezeit: Die kalte Jahreszeit ist für viele Wildtiere eine Zeit der Ruhe. Sie ziehen sich zurück, leben von ihren Reserven und versuchen, ihre Energie sparsam einzusetzen. Deswegen ist es wichtig, die Tiere so wenig wie möglich aufzuscheuchen oder zu stressen. Solche Störungen könnten zu negativen Konsequenzen für Energiehaushalt, Gesundheit und Überleben der Tiere führen.

Diese fünf Punkte sollten Waldweihnächtler dringend befolgen

Wer nicht auf eine Waldweihnacht verzichten kann oder will, sollte laut Andreas Boldt folgende Punkte berücksichtigen.

Nur bestehende Infrastruktur nutzen: «An befestigten Feuerstellen und bei Waldhütten sind Feuer in der Regel kein Problem. Nicht nur wegen des Sicherheitsaspekts sondern auch zur Schonung der Natur. Die Tiere des Waldes haben sich daran gewöhnt, dass wir Zweibeiner uns bei der Infrastruktur herumtreiben. Deswegen gilt es auch, die Wege möglichst nicht zu verlassen!»

Lärm und Licht vermeiden: «Zurzeit befinden sich die meisten Tiere in der Winterruhe. Sie haben sich ins Dickicht zurückgezogen und verhalten sich energiesparend. Wenn nun eine Gruppe Menschen nachts im Wald Licht, Feuer, Lärm macht, kann das diese Tiere vertreiben oder stressen.»

Hunde zuhause lassen: «Wen man im Wald einen Hund dabei hat – egal ob er an der Leine ist oder nicht – bedeutet das für viele Wildtiere einen zusätzlichen Stressfaktor. Ich würde unbedingt empfehlen, den Hund zuhause zu lassen. Wer ihn mitnehmen muss, weils nicht anders geht, sollte ihn an der Leine halten und ihn keinesfalls unkontrolliert herumstöbern lassen.»

Comeback am nächsten Tag: «Es ist ok, das Umfeld der Feuerstelle oder den Picknicktisch zu schmücken. Von Kerzen an lebenden Bäumen rate ich jedoch dringend ab! Wichtig ist, dass man den Wald so hinterlässt, wie man ihn vorgefunden hat. Nichts liegen lassen! Auch keine Lebensmittelreste, denn die sind für Wildtiere meistens nicht gesund. Da es im Dunkeln nicht immer einfach ist, zu sehen, ob man alles eingepackt hat, sollte man am nächsten Tag einen Kontrollgang bei Tageslicht einplanen.»

Wald-Knigge einhalten: «Um sich respektvoll durch den Lebensraum der Waldbewohner und -pflanzen zu bewegen, ist es ratsam, den Wald-Knigge zu befolgen. Darin erfährt man, wie man im Wald Rücksicht nehmen kann – nicht nur während der Weihnachtszeit. Dazu gehört auch, dass jeder Wald einen Besitzer hat. Ein vorgängiger Kontakt mit dem Förster oder Waldbesitzer ist sicher keine schlechte Idee.» Den Wald-Knigge gibts online bei Pro Natura – in einem kurzen Video, das auch Kinder leicht verstehen können.

 

Sylvie Kempa
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Von Sylvie Kempa am 16. Dezember 2020 - 07:09 Uhr