Sieben Wochen vor Geburtstermin stirbt das zweite Kind von Tamara, 30 und Simon Steiger, 33 im Mutterleib. Ein Albtraum für das Paar aus Bazenheid SG. Die Todesursache bleibt unbekannt, wahrscheinlich ist plötzlicher Kindstod im Mutterleib. Tamara bringt Töchterchen Lina unter grössten Schmerzen auf natürliche Art zur Welt – im Wissen, dass sie weder schreien noch atmen wird. «Die Schuldgefühle waren immens. Sie ist in mir drin gestorben – das muss doch irgendwie an mir liegen», sagt sie damals.
Kurz nach dem Termin mit der Schweizer Illustrierten hält Tamara Steiger erneut einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Ihre erste Reaktion: «Angst! Aber gleich darauf eine Riesenfreude.» Tochter Ylenia, 3, nehmen sie zum ersten Ultraschall mit. «Anders als in der Schwangerschaft mit Lina war sie die ganze Zeit über sehr zurückhaltend», erzählt Tamara. «Einmal fragte sie, ob es wieder gleich sei wie mit ihr.» Und ihr Mami verspricht: «Nein. Diesmal ist es anders!»
Auch wenn Tamara das selbst fast nicht richtig glauben kann. «Ich hatte neun Monate lang panische Angst.» Fast jede Nacht erwacht sie, schläft erst wieder ein, wenn sie das Baby gespürt hat. Wenn es sich tagsüber eine Weile nicht bewegt, steigt Panik auf. «Zum Glück war mein Frauenarzt sehr verständnisvoll. Ich konnte hingehen, so oft ich wollte.»
«Yannis ist kein Ersatz für Lina. Sie bleibt immer Teil unserer Familie.»
Tamara Steiger
Lange ist Tamara unschlüssig, ob sie nicht trotz ihrer traumatischen Erfahrung nochmal eine natürliche Geburt wagen soll. Yannis nimmt ihr die Entscheidung ab: Er bleibt einfach in Steisslage sitzen. Drei Wochen vor Geburtstermin wird er am 12. August 2020 per Kaiserschnitt geholt. Die Freude über den Buben ist riesig. «Wir wussten das Geschlecht nicht. Aber dass es ein Bub ist, ist irgendwie erleichternd, so läuft man nicht Gefahr, zu fest zu vergleichen», sagt Tamara.
Denn Yannis ist kein Ersatz für Lina. «Sie bleibt immer Teil unserer Familie.» So ist sie auch in die Geburtsanzeigen integriert, und für Familie Steiger ist klar, dass Yannis im Wissen aufwächst, dass neben Ylenia noch eine grosse Schwester da ist, die im Himmel auf ihn aufpasst. «Yannis ist unser drittes Kind, nicht das zweite», so Tamara.
«Der Gedanke, dass er uns wieder genommen wird, ist unerträglich. Aber ich weiss, dass ich wieder mehr aufs Leben vertrauen muss.»
Tamara Steiger
Da der Kleine mit einer geschlossenen Fontanelle zur Welt kam, muss er im Januar operiert werden. Auch das ist nicht einfach für Steigers. «Der Gedanke, dass etwas schiefgehen könnte, dass er uns wieder genommen wird, ist unerträglich», sagt Tamara. «Aber ich weiss, dass ich an dieser Angst arbeiten muss. Ich muss wieder mehr aufs Leben vertrauen.» Und auf Lina. Denn was ist schöner als der Gedanke, dass sie als Schutzengel über ihre beiden Geschwister wacht?
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