«Es gibt für mich keinen feineren Duft als heissen, frischen Teer. Der riecht wie Nagellack. Ich habe Strassenbauerin gelernt. Viele Leute finden, dass sei für eine Frau noch speziell. Vor ein paar Wochen machte ich die Lehrabschlussprüfung LAP. Mit einer blanken Sechs.
Auch das finden manche speziell. Ich hingegen gar nicht so. Ich habe einfach viel gelernt und in der Berufsschule hartnäckig nachgefragt beim Lehrer, wenn etwas unklar war. Mir läufts im Unterricht nämlich gar nicht so einfach, ich habe Legasthenie und muss alles viermal lesen, bis ich es kapiere. Das hat bedeutet, dass ich halt abends im Zimmer den Strassenbau-Schulstoff repetierte, wenn meine Stifti-Kollegen ins Bier gingen. Aber vielleicht hat mir ja nun ausgerechnet meine Leseschwäche geholfen, die Traumnote 6 zu erzielen.
Auch die Chefs in meinem Lehrbetrieb – dem Strassen- und Tiefbaugeschäft Hagedorn in Pfäffikon SZ – sind stolz auf mich. Das ist nicht selbstverständlich: Als ich eine Stelle suchte, gab es Firmen, die absagten, weil sie keine Frauen wollten.
Ich habe ziemlich Kraft. Das sieht man mir vielleicht nicht an, aber ich kann zünftig zupacken. Muss ich auch. Strassenbau ist harte körperliche Arbeit. Aktuell zum Beispiel werde ich morgens nach fünf Uhr vom Mannschaftsbus abgeholt und auf die Baustelle beim Limmattaler Kreuz gefahren.
Noch lieber habe ich die Nachtschicht von 19 Uhr bis morgens um fünf. Da hat man seine Ruhe, selbst auf der Überholspur der Autobahn. Und es ist weniger gefährlich, weil fast kein Verkehr herrscht.
«Man sieht es mir vielleicht nicht an – aber ich kann zünftig zupacken.»
Ich liebe es, im Graben unten zu pickeln und zu schaufeln, bis ich ausgepowert bin. In den ersten Stifti-Wochen war ich abends totkaputt und schlief sofort ein. Aber man gewöhnt sich an diese harte Arbeit. An Hitze und Kälte auch. Sogar an die blöden Sprüche. Strassenbau ist eine Männerwelt, da musst du als Frau kontern können, wenn die Kollegen witzeln. Mein Rezept: Ich gebe jeweils noch fieser oder noch weiter unter der Gürtellinie zurück – das sitzt dann meistens.
Ich habe die Kanti besucht. Danach wollte ich Polizistin oder Hebamme werden. Ich liebe nämlich Uniformen; ich trage ja jetzt auch eine, signalgelb. Beim Praktikum im Spital merkte ich, dass mir die Schreie der Gebärenden ziemlich einfuhren. Da ist mir der Baumaschinenlärm lieber. Danach jobbte ich ein Jahr lang, machte Verkehrsdienst bei Baustellen. Tja, und da schaute ich halt den Strassenbauern immer gern zu – bis es mich packte und ich merkte: Den Beruf will ich lernen.
Carmens Freizeit: Schützenverein, Töfffahren und … Cellospielen!
In meiner Freizeit fahre ich schwere Töffs, pflege meine Echsen und bin im Schützenverein. An Wochenenden besuche ich oft ehemalige Baustellen; es ist ein befriedigendes Gefühl zu sehen, was man Schönes geschaffen hat. Mein nächstes Ziel: Ich will Polier werden und Baustellen leiten.
Wie ich mich erhole? Wenn ich nach Feierabend total runterkommen will, mache ich Musik. Ja, jetzt grinsen dann manche wieder, weil das so gar nicht passen will zu einer Strassenbauerin: Aber ich spiele seit vielen Jahren Cello.»
Aufgezeichnet von Marcel Huwyler