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Kinderkrebs: Tipps zum Umgang mit betroffenen Familien

«Lieber ansprechen als anstarren»

Wenn ein Kind eine Krebsdiagnose bekommt, haben seine Eltern viele Ängste und Fragen. Aber auch das Umfeld der Familie ist verunsichert. Wie kann man – und soll man überhaupt – helfen? Patric Gschwend, Präsident der Stiftung Sonnenschein, weiss Rat. 

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<p>Patric Gschwend ist Präsident der Stiftung Sonnschein, welche krebskranke Kinder und ihre Familien in unterschiedlichen Belangen unterstützt. </p>

Patric Gschwend ist Präsident der Stiftung Sonnschein, welche krebskranke Kinder und ihre Familien in unterschiedlichen Belangen unterstützt. 

Peter Neff, www.fotoneff.ch

Für Sabrina Haftka (29), die Mama des kleinen Ron (6), war die finanzielle Unterstützung der Stiftung Sonnenschein nach Rons Krebsdiagnose eine grosse Hilfe. Die Familie wohnt im Dörfchen Buchen im Prättigau. Sabrina musste ihre Arbeit für Rons Betreuung aufgeben, und regelmässig mit ihm für längere Zeit ins Zürcher Kispi. Die Stiftung half der Familie mehrfach mit finanziellen Unterstützungsbeiträgen.  

 

Familie Haftka

Wie Ron und seine Mama, Sabrina Haftka, dem Krebs trotzen, erfahrt ihr unter diesem Link. 

Corinne Glanzmann

Auch Patric Gschwend, Präsident der Stiftung Sonnenschein, weiss, wie wichtig Unterstützung ist – nicht nur finanziell, sondern vor allem auch emotional. Seine Tochter war gerade mal 18 Monate alt, als bei ihr ein Hirntumor diagnostiziert wurde. Mit 13 Jahren hatte sie die vorerst letzte Tumorbehandlung, eine Bestrahlung am Paul Schärrer Institut (PSI). Heute ist sie 22 – und der Tumor ist seither stabil und inaktiv. Sie kämpft mit den Spätfolgen der langen Behandlung und arbeitet dennoch voller Elan an ihrem Berufswunsch mit einem Medizin- oder Pharmaziestudium. 

Patric Gschwend, mit welchen Sorgen und Fragen wenden sich Eltern von krebskranken Kindern an Sie?

Am Anfang wissen viele überhaupt nicht, wie sie mit der Diagnose umgehen und sich verhalten sollen. Das reicht vom Umgang mit Ärzten und Krankenkassen über die Entscheidungsfindung bei Therapien und Behandlungen, Fragen zur familiären Organisation bis hin zu finanziellen Nöten. Am Wichtigsten ist aber der Austausch mit anderen Betroffenen, wofür wir eine Plattform bieten. 

Was bieten Sie diesbezüglich an?

Regelmässige Treffen, den Skitag, das Herbstwochenende oder das Sommerlager für die ganze Familie. Letzteres ist medizinisch betreut, so dass die Familien wieder einmal sorgenfrei Ferien geniessen können. Auch für Geschwisterkinder ist es schön zu sehen, dass es noch andere Kinder in ihrer Situation gibt. Ausserdem haben Mama und Papa da auch mal Zeit für einander – und für sich selbst. 

Von der Erkrankung eines Kindes ist auch das Umfeld der Familie betroffen. Wie soll dieses reagieren?

Es ist nicht ganz einfach, den richtigen Ton und die richtigen Worte zu treffen. Aber wer einfach mal nachfragt, ob man helfen kann, liegt nie verkehrt. Aber bitte keine voreiligen Aktionen. Es muss niemand direkt sein Arbeitspensum reduzieren, um bei der Kinderbetreuung zu helfen oder zehn Liter Suppe vorbeibringen. Unterstützung ist wichtig, aber sie sollte in Absprache mit den Eltern geschehen. Manchmal hilft es schon, da zu sein, zuzuhören, zu reden – und auf gut gemeinte Ratschläge zu verzichten. 

Wie können Grosseltern, Tanten, Gottis oder Freunde helfen?

Das ist sehr individuell, aber erfahrungsgemäss ist es ein grosses Bedürfnis, dass jemand etwas mit Geschwisterkindern unternimmt. Oder, falls es drinliegt, auch mal das betroffene Kind betreut, so dass die Eltern Zeit für die Geschwister haben. Dieses Thema ist uns ein grosses Anliegen, denn Brüder und Schwestern von krebskranken Kindern müssen sehr häufig zurückstecken. 

Was müssen Eltern von Schul- oder Kindergartengspänli beachten?

Normalerweise werden die Lehrpersonen von den Eltern informiert, welche die anderen Eltern und Kinder informieren und instruieren sollten. Aber es schadet nicht, selbst etwas mitzudenken, und zum Beispiel kränkelnde Kinder nicht in die Schule zu schicken, da das Immunsystem des krebskranken Kindes angeschlagen ist.

Was, wenn unter Kindern Neid entsteht wegen Sonderbehandlung des krebskranken Kindes?

Wichtig ist vor allem Offenheit. Die Lehrperson muss der Klasse erklären, dass das Kind zum Beispiel eine Dispenz vom Sportunterricht hat, weil es von der Behandlung geschwächt ist, nicht, weil es einen Sonderstatus hat und diesen ausnützt.  

Und wenn Kinder ausgegrenzt werden?

Das kommt leider immer wieder vor. Vor allem auch, weil Betroffene durch das, was sie erlebt haben und erleben, oft auf einem anderen intellektuellen Niveau sind als Gleichaltrige, und dann auch mal altklug wirken können. Auch hier hilft nur Reden und Erklären durch Lehrpersonen und Eltern. 

Und wenn ich jemanden nicht so gut kenne, und ihm zum Beispiel mit dem betroffenen Kind beim Einkaufen im Dorf begegne? Soll ich ihn ansprechen?

Auf jeden Fall. Auch wenn man als betroffene Eltern vielleicht gerade einen schlechten Tag hat – aber ansprechen ist immer besser als anstarren!

Familienbloggerin Sandra C.
Sandra CasaliniMehr erfahren
Von Sandra Casalini am 16. Februar 2025 - 07:00 Uhr