Sandra Casalini: «Die Frage, wie ich meine Kinder zeige ist wichtiger als die, ob ich es tue»
Als es 2008 Facebook auf Deutsch gab, war das fast so etwas wie eine Offenbarung für mich. Ich habe längere Zeit im Ausland gelebt, habe Freunde und Familie auf der ganzen Welt. Endlich gab es eine Möglichkeit, mich mit all diesen Menschen ganz einfach auszutauschen. Ich konnte fast so an ihrem Leben teilhaben, wie wenn sie gleich um die Ecke wären. Und sie an meinem. Und ein grosser Teil von meinem Leben waren und sind meine Kinder. Ehrlicherweise habe ich mir damals überhaupt nicht überlegt, ob das nun richtig oder falsch sein könnte.
Facebook war für mich so eine Art geteiltes Familienalbum - wobei immer klar war, dass zum Beispiel nackte Kinder in einem solchen keinen Platz haben. Wären meine Kinder heute nochmal so klein, würde ich mir sicherlich den einen oder anderen Gedanken mehr machen. Aber ganz grundsätzlich gilt auch hier für mich meine persönliche Online-Regel Nummer eins: viel wichtiger als ob, wie oft und wie lange ist für mich das Was. Wenn meine Kinder heute online sind, ist mir die Frage, was sie dort machen, wichtiger, als wie lange sie es tun. So ist auch die Frage, wie ich meine Kinder zeige, wichtiger für mich, als die, ob ich es tue.
Seit meine Kinder grösser sind, haben sie übrigens auch Zugriff auf meine Social-Media-Kanäle (die übrigens privat und mit den entsprechenden Einstellungen versehen sind) und finden, es gäbe da nirgends ein Bild, mit dem sie nicht leben können. Zudem sehen sie gleich, wie solche Fotos, die man von sich selbst postet, etwa auszusehen haben: nicht zu viel nackte Haut und immer mit einem unschuldigen Lächeln im Gesicht. (Gut, die eine oder andere Schnute war auch herzig).
Wenn ich heute Fotos meiner Teenager poste, frage ich sie. Manchmal finden sie es okay, manchmal nicht. Und das ist total gut so.
Maja Zivadinovic: «Wir vergessen die Privatsphäre unserer Kinder»
Natürlich bin ich auch eine dieser Mütter, die sich sicher sind, dass ihr Kind das allerherzigste, tollste, klügste, lustigste und gescheiteste auf Erden ist. Und natürlich würde ich diese unfassbare Herzigkeit am liebsten jeden Tag hundertfach mit der ganzen Welt teilen. An lahmen Tagen mache ich schliesslich nur rund 20 Handy-Bilder meines Zweijährigen. Die mein stolzes Mutterherz natürlich am liebsten auf Instagram, Facebook, Tik Tok, you name it, veröffentlichen würde, während ich mich darüber freue, dass das ganze Internet weiss, wie zauberhaft das Kind doch ist. Und genau hier liegt der Hund begraben: Eltern, die ihre Kinder auf Social Media zeigen, geht es meiner Meinung nach nur um das eigene Gefühl: Jedes Like bestätigt, was wir schon lange wissen: Unser Kind ist super. Wir sind super. Unsere Familie ist super. Alles ein einziger Happy-Family-Instagram-Filter.
Dabei vergessen wir meiner Meinung nach zwei enorm wichtige Dinge: 1. Die Privatsphäre unserer Kinder. Drehen wir es mal um: Fänden wir es lässig, gäbe es Bilder von uns auf dem Töpfli im Netz? Oder wir mit Milchschnauz? Nackt mit einem Gartenschlauch spielend? Oder am Strand? 2. Die Abgründe des Internet: Machen wir uns nichts vor, im Netz tummeln sich Menschen mit unschönen Neigungen, Betreiber von Kinderpornografie-Ringen und vielen anderen schrecklichen Dingen. Da sind aber auch Nachbarn, Bekannte, flüchtige Arbeitskollegen, die alles screenshotten und weiterschicken können. Egal, wie gut unsere Privacy-Einstellungen sind. Was im Netz landet, lässt sich enorm gut und schnell weiterverbreiten. Wer denkt, dass er/sie die Kontrolle hat, irrt sich.
Manchmal breche ich natürlich dennoch ein. Dann gibts ein Foto, bei dem mein Freund und ich darauf achten, dass unser Sohn nicht erkennbar ist. Mir ist bewusst, dass das viele NutzerInnen absolut nervig finden. Sorry dafür. Es ist halt wie am Anfang dieses Textes erwähnt: Manchmal schaffe es auch ich nicht, alleine mit der Herzigkeit meines Buben zu sein. Hach, Social Media, ich fühle mich sehr alt, wenn ich folgenden Satz sage, aber ich muss: Früher als es noch gar kein Social Media gab, war es schon viel besser und einfacher.