Es schüttet wie aus Kübeln. Draussen wirds schon langsam dunkel, drinnen nimmt Familie Guggenheim in der Zürcher Dachwohnung Platz um einen Holztisch. Orija, 17, Shoham, 12, und Tuli, 7, haben je einen Spiegel vor sich, daneben liegen in Griffweite Haarbürsten, -gummis und Spängeli.
Zusammen mit ihrer Mutter Efrat werden die Mädchen in den nächsten gut zwei Stunden lernen, wie sie sich selber oder gegenseitig Frisuren flechten können. «Und vor allem, wie diese dann auch halten», sagt Orija lachend. Sie mag verschiedene Looks, trägt die Haare dennoch «meist einfach offen». Auch Shoham macht sich für die Schule oft «schnell einen Rossschwanz». «Neue Frisuren zu lernen, ist also sehr cool», sind sich die Schwestern einig.
Kathrin Pützer ist selbstständige mobile Coiffeuse und Makeup-Artist. Sie leitet den Kurs mit spürbarer Freude und viel Einfühlungsvermögen für die individuellen Wünsche ihrer Kundinnen. Zu Beginn bittet sie die drei Schwestern, ihre langen Haare zu öffnen und gut durchzubürsten. «Ein erster Trick: Beginnt beim Bürsten unten und arbeitet euch Stück für Stück Richtung Haaransatz vor. Nie umgekehrt. So verknotet das Haar weniger», sagt Pützer, bevor sie Tipps zum richtigen Haarewaschen gibt («Haare nur am Ansatz einshampoonieren, danach das Shampoo mit den Fingerspitzen nach unten ziehen»).
Dann gehts los mit der ersten Frisur, einem einfachen Flechtzopf. Pützer zeigt jeden Schritt am eigenen Haar vor: einen Seitenscheitel ziehen, alle Haare auf der entgegengesetzten Seite des Scheitels hinter dem Ohr zu einem Rossschwanz binden, daraus einen Zopf flechten. Klingt einfach. Ist es für Tuli aber nicht. Also hilft die Mutter, während die älteren Schwestern mit konzentriertem Blick Pützers Anweisungen folgen. «Fertig», ruft da Tuli plötzlich so laut und freudig, dass alle anderen zusammenzucken. Das Mädchen strahlt ob seiner Frisur!
Zu solchen gegenseitigen Frisieraktionen kommt es im Haus Guggenheim ab und zu. «Und doch ist dafür im Alltag meist zu wenig Zeit», sagt Mutter Efrat. Von diesem Kurs erhofft sie sich schnell umsetzbare und doch imposant aussehende Flechtfrisuren. Die Familie kennt Coiffeuse Pützer übrigens seit dem 12. Geburtstag von Shoham und ihrer Bat Mitzwa, der religiösen Mündigkeit im Judentum.
«Unsere eigentliche Coiffeuse war in den Ferien. Also habe ich im Internet nach einer Alternative gesucht und bin so auf Kathrin Pützers Website gestossen», sagt die Mutter. «Wir waren alle begeistert von ihrer Arbeit.» Dieses Mal aber wollen sie selber lernen.
Kathrin Pützer zeigt den nächsten Schritt am fertigen Zopf: «Noch wirkt er langweilig, fast zu perfekt. Wir wollen den Undone Look.» Orija und Shoham nicken zustimmend: «Voll!» Also zupfen sie einzelne Haarsträhnen vorsichtig aus dem Zopf und drehen diesen anschliessend in einen lockeren Dutt am Nacken.
«Damit das hält, brauchen wir Haarnadeln. Ein Trick: Ihr müsst diese mit einer Zickzack-Bewegung übereinanderstecken.» Die beiden älteren Schwestern mühen sich mit den Spangen ab – diese wollen bei den ersten Versuchen einfach nicht halten –, Tuli aber hat genug vom Frisieren. Sie mag nicht mehr still sitzen und geht zum bereitgelegten Zvieri über.
Bald folgen die anderen ihrem Beispiel. Frisieren macht hungrig. Ob die Mutter ihr so einen Dutt für die Schule machen könne, will Tuli zwischen zwei Bissen Reiswaffel wissen. Diese nickt, entgegnet lächelnd: «Wenn du zehn Minuten früher aufstehst.» Die Antwort bleibt Tuli schuldig, dreht stattdessen eine Pirouette im Raum, bevor sie eine Puppe entdeckt und sich an deren Haaren zu schaffen macht.