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Sollen Kinder mehr als zwei Elternteile haben können?

Die LGBTQ+-Community spricht sich nach der Ehe für alle dafür aus, dass Kinder rechtlich mehr als zwei Elternteile haben dürfen. So wäre es zum Beispiel zu begrüssen, wenn bei einem lesbischen Eltern-Paar der biologischen Vater rechtlich als dritter Elternteil anerkennt werden könnte, meint Pink Cross. Unsere Redaktorinnen sind geteilter Meinung.

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Regenbogenfamilien gehören schon lange zum Alltag. Sollen Sie noch bunter werden?

imago/Political-Moments
Maya: «Je mehr Bezugspersonen, desto besser»

Stellen Sie sich vor, Sie haben einen Kinderwunsch, können aber nicht einfach so mal schnell Eltern werden wie all die heterosexuellen Paare in Ihrem Umfeld. Ich, selber Mutter von einem zweijährigen Sohn, finde nur schon den Gedanken daran sehr beklemmend. Ich habe das «Glück» heterosexuell zu sein. Ein Einfaches also, Mama zu werden. Logisch, die Natur und das Schicksal haben auch gut mitgemacht. Aber Sie wissen, was ich meine. Ein guter Freund von mir, seit ein paar Wochen zweifacher Papi, hatte es da viel schwieriger. Sein Partner und er sind Dank einer Eizellenspenderin und einer Leihmutter in den USA Väter geworden. Nicht nur, dass das ganze Prozedere viel gekostet hat (Geld und Emotionen), nein, der jeweils nicht biologische Vater musste das Kind dann auch noch adoptieren. Was ich in drei Sätzen erzähle, dauert in der Realität Jahre. Zu der Leihmutter übrigens hat die Familie ein enges Verhältnis. Für die Kinder ist sie die «Bauchmami». Die Papas würden sich wünschen, dass das «Bauchmami» auch offiziell und amtlich ein Elternteil sein dürfte.

Mehrelternschaft, zurzeit ist diese in unserer Gesellschaft noch nicht anerkannt. Dass sich die LGBTQ+-Community dafür stark macht, kann ich nicht nur verstehen, nein, das will ich unterstützen. Schon Remo Largo sagte, dass einem Baby egal ist, ob es zwei Mütter, Väter oder eine Mutter und einen Vater hat, das Kind bindet sich an seine Bezugspersonen. Das ist völlig unabhängig vom Geschlecht und von der biologischen Abstammung. Ich bin sicher, dass eine Mehrelternschaft für Kinder noch mehr Segen bedeutet. Denken Sie an Ihre Kindertage zurück. Ich hätte es sehr lässig gefunden, wenn da noch mehr Mamis und Papis gewesen wären, die mir all ihre Liebe schenken. Ausserdem, so bin ich sicher, kann eine Mehrelternschaft auch für die Elternteile eine unglaubliche Entlastung und zugleich Bereicherung sein. Schon klar, kommts zu Trennungen, wird es sicher noch komplexer als es das sowieso schon ist. Aber sollen wir deswegen auf all das Bereichernde und Schöne verzichten? Das wäre, wie wenn wir unseren Kindern verbieten, die etwas steilere Rutschbahn auszuprobieren, weil es etwas Bammel hat. Ich motiviere meinen Sohn in solchen Situationen. Das Strahlen nach bezwungenen Rutschbahnen gibt mir recht.

Sandra: «Das Potenzial, dass es Krach gibt, ist grösser»

Eins vorweg: Ich halte die Ehe für alle für richtig und für wichtig, und ich finde, wenn es um Liebe geht, haben Grenzen absolut nichts zu suchen, weder, was das Geschlecht noch die Lebensform angeht. Und gesellschaftliche Normen halte ich sowieso mehr für einen Fluch als für einen Segen, auch wenn mir bewusst ist, dass es sie bis zu einem gewissen Grad braucht. Ein Kind, das sich sowohl von Mama eins und Mama zwei als auch von Papa eins geliebt fühlt, ist ein glückliches Kind. Aber es ist eben wie überall sonst im Leben auch: Solange alles gut läuft, ists super. Wenns aber nicht mehr gut läuft, ist der Schlamassel gigantisch, und je mehr Leute involviert sind, desto schlimmer wirds.

Ich war 15 Jahre alt, als ich mich in einem Brief ans Scheidungsgericht dazu äussern musste, bei welchem Elternteil ich nach der Scheidung leben wollte und warum (es war die Massnahme, die mir ersparte, selbst vor Gericht aussagen zu müssen). Auch wenn man das heute einem Kind wohl nicht mehr antun würde: die innere Zerrissenheit ist die gleiche, und zwar fast immer. Ich kenne sehr, sehr wenige Eltern, die das mit der Scheidung wirklich so hingekriegt haben, dass die Kinder nicht immer wieder mal hin- und hergerissen waren. Verletzte Gefühle sind leider meist stärker als alles andere. Das ist menschlich. Und jetzt stelle man sich vor, da sind nicht nur zwei, sondern noch mehr Parteien involviert. Erstens ist schon mal das Potenzial, dass es Krach gibt, beziehungsweise zu einer Trennung kommt, grösser. (Und es gehen ja so schon fast die Hälfte aller Ehen in die Brüche). Und dann ist das Kind unter Umständen nicht nur zwei-, sondern drei- oder viergeteilt. Und egal, wieviele Verträge man vorher macht, um die Dinge zu klären, wenn es um Gefühle – und um Geld! – geht, ticken Menschen halt einfach wie Menschen, das lässt sich nicht verhindern. Ich persönlich würde mir darum sehr genau überlegen, ob ich dieses Risiko eingehen will. 

Von SC am 11. Juli 2022 - 06:32 Uhr