Es ist eine triste Realität, die der oberste Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke-Hentsch aktuell aufzeigt. Nachdem die Covid-19-Taskforce von einer deutlichen Zunahme von Depressionen vom ersten zum zweiten Lockdown spricht, bestätigt Bilke-Hentsch, dass die Pandemie vor allem Teenagern auf die Psyche schlägt.
So sagt Bilke-Hentsch im Interview mit dem «Tagesanzeiger»: «Seit Oktober beobachten wir, dass alle Kliniken für Jugendliche und Kinder voll und zum grossen Teil überbelegt sind. Mit anderen Worten, Kindern und Jugendlichen schlägt die Corona-Pandemie langfristig wohl noch mehr auf die Psyche als den Erwachsenen.»
Bilke-Hentsch weiss, dass die Corona-Realität mit ihren Konsequenzen bei vorbelasteten Kindern und Jugendlichen zu einer drastischen Verschärfung ihrer Symptomatik führt. Das zeigt auch ein Blick auf Institutionen wie das Sorgentelefon und Beratungsstellen, die einen deutlichen Zuwachs verzeichnen.
Wie schlimm die Lage wirklich ist, erklärt der Facharzt mit folgenden Worten: «Wir stellen eine beunruhigende Zunahme von ernsthaften Suizidversuchen fest. Es bereitet uns grosse Sorge, dass Jugendliche in die Kliniken eingewiesen werden, die ohne grosse Vorerkrankungen oder Vorzeichen in einen Verzweiflungszustand geraten, der ihnen ausweglos erscheint. Und das ist in allen Landesteilen so.»
«Drogen konsumierende Jugendliche kommen weniger in Versuchung»
Es sind vor allem schwerwiegende Depressionen, die zurzeit vermehrt auftreten, offenbart Bilke-Hentsch. «Das äussert sich in starken Ess- und Schlafstörungen bis hin zu Kontaktverweigerungen oder Halluzinationen.»
Die zweite Gruppe von Krankheiten, die derzeit stark zunimmt, so Bilke-Hentsch, betrifft Kinder und Jugendliche, die ohnehin wenig Kontakt zu anderen Menschen pflegen. «Das sind die sozial-ängstlichen und sozial-phobischen, die quasi ihres Übungsfeldes beraubt werden. Diese Patienten leben dann noch mehr auf sich zurückgezogen und können ernste psychische Störungen entwickeln bis hin zu einer Paranoia.»
Auf die Frage, ob es aber auch Jugendlich gebe, die von den Lockdowns profitieren, antwortet Bilke-Hentsch, dass man nur in einem Fall, wenn überhaupt, von profitieren reden kann. «Diejenigen, die bisher einen leichten Drogenkonsum betrieben, in Gruppen und bei Partys immer wieder mal etwas ausprobiert haben, kommen viel weniger in Versuchung.»
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Sollten Sie selbst das Gefühl haben, dass Sie Hilfe benötigen, sind diese Stellen rund um die Uhr für Menschen in suizidalen Krisen und für ihr Umfeld da:
- Beratungstelefon der Dargebotenen Hand: Telefon 143, www.143.ch
- Beratungstelefon von Pro Juventute (für Kinder und Jugendliche): Telefon 147, www.147.ch
- Weitere Adressen und Informationen: www.reden-kann-retten.ch
Adressen für Menschen, die jemanden durch Suizid verloren haben
- Refugium – Verein für Hinterbliebene nach Suizid: www.verein-refugium.ch
- Nebelmeer – Perspektiven nach dem Suizid eines Elternteils: www.nebelmeer.net