«Als Frauen haben wir immer noch keine Plattform, um über die Auswirkungen dieses Verlustes zu sprechen. Ich habe neun Kinder bei einer Fehlgeburt verloren», schreibt Sharon Stone (64) zu einem aktuellen Instagram-Post der Zeitschrift «People», in dem es um die Fehlgeburt von «Dancing with the Stars»-Tänzerin Peta Murgatroyd (35) geht. Der Hollywood-Star reiht sich damit in eine lange Reihe Prominenter ein, die das selbe erlebt haben und öffentlich darüber sprachen, von Herzogin Meghan über die Pop-Superstars Pink, Beyoncé und Lilly Allen, Model Fiona Erdmann bis zu Schweizer Stars wie Sandra Boner, Géraldine Knie, Nicola Spirig oder Stéphanie Berger.
Bei all diese öffentlichen Bekenntnissen, kombiniert mit der Tatsache, dass bis zu 20 Prozent der schwangeren Frauen ihr Baby im ersten Schwangerschaftdrittel verlieren, müsste man doch eigentlich meinen, die Zeiten, in denen man nicht über eine Fehlgeburt redet, seien vorbei. Weit gefehlt. «Es war besonders hart, dass jeder es wusste. Es ist eigentlich etwas, das man nur mit Freunden und Familie teilt.» Diese Aussage von Queen-Enkelin Zara Phillips (41) nach ihrer Fehlgeburt zeigt: Während wir jederzeit jedem und jeder von einem gebrochenen Bein erzählen, oder von der Menge Windeln, die unser Baby täglich füllt, behandeln wir das Thema Fehlgeburt als etwas Intimes, das man lieber für sich behält.
Warum das so ist, geht zum Beispiel aus Model Chrissy Teigens (36) Worten deutlich hervor. Nachdem sie ihr Ungeborenes verloren hat, schrieb das Model auf Instagram: «Wir empfinden diese Art von Schmerz, die wir uns niemals vorstellen konnten. Wir konnten dir nicht geben, was du gebraucht hast, es war einfach nicht genug.» Nicht gut genug gewesen zu sein für das Ungeborene – Umfragen zufolge fühlen über die Hälfte der Frauen, die eine Fehlgeburt erlitten, das gleiche wie Chrissy Teigen. Zum Verlust des Kindes kommen massive Schuldgefühle. Und sie schweigen.
«Die Leute können die Trauer nicht richtig einordnen. Vielleicht, weil es um einen Menschen geht, den man ja gar nicht gekannt hat.»
Besonders dann, wenn die Fehlgeburt während der ersten zwölf Schwangerschaftswochen erfolgte. Erst kürzlich erlitt Popstar Britney Spears (40) eine Fehlgeburt. Und schrieb dazu auf Instagram: «Mit tiefster Trauer müssen wir mitteilen, dass wir unser Wunderbaby früh in der Schwangerschaft verloren haben.» Und: «Vielleicht hätten wir mit der Ankündigung warten sollen, bis wir weiter waren.» Mit dem letzten Satz spricht Britney das ungeschriebene Gesetz an, erst nach den ersten zwölf risikoreichen Schwangerschaftswochen zu verkünden, dass man schwanger ist. Denn wer in diesem frühen Stadium eine Fehlgeburt erleidet und trauert, stösst immer noch auf besonders grosses Unverständnis.
«Die Leute können die Trauer nicht richtig einordnen. Vielleicht, weil es um einen Menschen geht, den man ja gar nicht gekannt hat», sagt Petra Simmen (44). Sie und ihr Mann, Snowboard-Olympiasieger Gian Simmen (44) verloren drei ungeborene Babys. «Man trauert um Träume, Lebenspläne, etwas, das nicht werden darf. Wer das nie erlebt hat, kann das vermutlich schwer nachvollziehen», so Petra Simmen. Zumal in der Schweiz laut Krankenkassengesetz die «mit einer Fehlgeburt vor der 13. Woche verbundenen Leistungen nicht von einer Kostenbeteiligung befreit sind.» Das heisst: Wer in den ersten drei Monaten eine Fehlgeburt erleidet, muss zum Beispiel die Kosten für eine Curettage, falls nötig, selbst mittragen. Was wiederum heisst: Man gilt dann nicht als schwanger, sondern als krank. «Das Gesetz impliziert damit, dass man erst ab dem vierten Monat um sein Ungeborenes trauern darf. Das ist absurd», sagt Gian Simmen. Es gibt zwar verschiedene Vorstösse, das Gesetz zu ändern, wann dies tatsächlich umgesetzt wird, ist aber nicht absehbar.
Jeannine Kipfer-Balmer von der Fachstelle Kindsverlust ermutigt Eltern, trotz Tabu von Anfang an über die Schwangerschaft zu reden. «Wir werten nicht, ab welchem Stadium ein Verlust schmerzhaft ist.» Anteilnahme zeigen, fragen, wies geht, zuhören, das rät die Expertin im Umgang mit Familien, die ein Ungeborenes verloren haben. Das hätte sich auch Sharon Stone gewünscht: «Uns wird immer noch das Gefühl gegeben, versagt zu haben, statt dass wir Mitgefühl erhalten.»