1. Home
  2. Psychologin warnt: To-do-Listen können Teenager stressen
Teenager unter Druck

Wenn die To-do-Liste zum Monster wird

Essen, Sport-Routine bis hin zum Sinn des Lebens: Vor allem Teenager-Mädchen listen auf, posten, vergleichen – und der Psychotrip nimmt seinen Lauf. Eine Jugend-Psychologin ordnet ein.

Artikel teilen

<p>Listen können Teenagern helfen, Struktur in ihren Alltag zu bringen. Sie können aber auch unter Druck setzen.</p>

Listen können Teenagern helfen, Struktur in ihren Alltag zu bringen. Sie können aber auch unter Druck setzen.

Getty Images

Sie können helfen, chaotisch strukturierten Teenager-Köpfen Orientierung zu geben: To-do-Listen. Doch wenn sich Jugendliche mit ihren selbstauferlegten Regeln zu sehr einschränken und damit einen ultra-rigiden Umgang pflegen, macht ein vermeintlich hilfreiches Tool plötzlich Druck. Vor allem Mädchen im Teenager-Alter sind davon betroffen. War es einst das Auflisten der zu erledigenden Hausaufgaben, sind es heute neben den Top 10 Beauty-Produkten vor allem strikte Vorgaben zu Ernährung und Sport, die abgearbeitet werden müssen. Hannah Süss, Leitende Psychologin an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich ordnet ein und erklärt, wann Eltern aufhorchen müssen.

<p>Hannah Süss, Leitende Psychologin der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich</p>

Hannah Süss, Leitende Psychologin der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich

ZVG

Bei welchen Themen ist Vorsicht geboten?

Hausaufgaben, Vorsätze fürs neue Jahr, wöchentliches Sportprogramm – die Inhalte von To-do-Listen sind oft drittbestimmt. So erlebt es Psychologin Hannah Süss auf ihrer Therapiestation und sagt: «Das Thema an sich muss nicht zwingend Sorge bereiten. Vorsicht ist dann geboten, wenn die Liste das Potenzial birgt, Jugendliche in ihrem Alltag und in ihrer Gesundheit einzuschränken.» Dazu gehören beispielsweise eine schwarze Liste von Lebensmitteln. Oder eine Liste, die vorschreibt, was und wieviel man essen darf und was die tägliche Sport-Routine beinhalten muss. Hannah Süss: «Hier besteht die Gefahr, dass das Abarbeiten dieser Punkte ein extremes Mass annimmt und zum Zwang wird.» Das «Abhäkeln» auf der Liste wird zur Bedrohung.

Wer der Liste nicht gerecht wird, fühlt sich schlecht?

«Nicht nur das. Enttäuschung und selbstabwertende Gedanke können aufkommen. Oft überschreiten Jugendliche beim Abarbeiten der Liste, eigene Grenzen und nehmen ihre eigentlichen Bedürfnisse nicht mehr war.» Was dem Kind bislang Spass gemacht hat, wird nun ausgeblendet. Süss fügt an: «Haben sie ihre Liste zusätzlich auf Social Media geteilt, kommt nun auch die Angst des Versagens hinzu.»

Sie sprechen vernichtende Kommentare auf Social Media an?

«Leider ja. Die eigenen Vorhaben zu teilen, kann motivieren und andere inspirieren. Doch wer auflistet fünfmal die Woche Sport zu machen, dies dann aber nicht tut, hat ein schlechtes Gewissen und erntet für das eigene Versagen negative Kommentare.» 

Wie können Eltern helfen?

Mütter und Väter sollten hellhörig werden, wenn sie feststellen, dass ihr Kind seine Gewohnheiten stark verändert. Hannah Süss: «Isst die Tochter deutlich weniger, treibt sie übermässig Sport, schränkt sie sich in Dingen ein, die sie früher gerne getan hat? Dann sollten Eltern das Gespräch suchen.» Besonders wichtig gemäss Expertin ist: «Auf keinen Fall zusätzlichen Druck machen!» Viel eher sollten Eltern versuchen, Anteil zu nehmen. Fragen stellen, sich erklären lassen. So kann das Kind motiviert werden, Ausnahmen zu machen und die Liste nicht als absolut zu sehen – eher als Vorschlag. Hannah Süss: «Teenager müssen den Umgang mit Listen lernen. Punkte dürfen verschoben und Zeitslots geschaffen werden, in denen Teenager nicht leisten, sondern sich um sich selbst kümmern.»

Wann sollte man sich professionelle Hilfe holen?

«Zum einen wenn sich dieser Kreislauf nicht durchbrechen lässt, zum anderen, wenn es um die Gefährdung des Lebens, um Suizidalität und Selbstverletzung geht.» Darauf schliessen lassen Listen mit Punkten, die helfen sollen, den Sinn des Lebens zu sehen. Wer Hilfe sucht, findet beispielsweise an der Psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich eine 24/7-Notfallanlaufstelle.

Von Bettina Bono am 19. Februar 2025 - 18:00 Uhr