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Vorlesen in der Schwangerschaft

Woran sich Babys nach der Geburt erinnern

Babys erkennen die Stimme ihrer Mutter und bevorzugen vertraute Klänge. Neue Forschung zeigt, dass die Melodie des Gesprochenen wichtiger ist als der Inhalt der Worte. So können werdende Eltern die Sprachentwicklung bereits früh positiv beeinflussen.

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Schwangere liest ihrem Ungeborenen aus einem Buch vor

Ab der 25. Schwangerschaftswoche kann ein Ungeborenes äussere Geräusche wahrnehmen.   

Getty Images/Tetra images RF

Noch bevor ein Baby seine ersten Worte spricht, hat es bereits ein ausgefeiltes Sprachverarbeitungssystem entwickelt. «Wir wissen heute, dass der Spracherwerb bereits im Mutterleib beginnt», sagt die Psycholinguistin Jutta Mueller. Ihr Forschungsschwerpunkt an der Universität Wien sind die Prozesse im Hirn beim Spracherwerb.

Schon ab der 25. Schwangerschaftswoche ist das Gehör eines Ungeborenen so weit entwickelt, dass es äussere Geräusche wahrnehmen kann. Vor allem tiefe, rhythmische Töne wie der Herzschlag und das Rauschen des Blutes dringen bis in die Gebärmutter vor. Auch Stimmen werden gehört – vor allem die der Mutter.

Den ersten wissenschaftlichen Beleg dafür lieferten die amerikanischen Entwicklungspsychologen Anthony James DeCasper und William Fifer bereits im Jahr 1980. In ihrem Experiment liessen sie Frauen in der letzten Schwangerschaftswoche und nach der Geburt bestimmte Geschichten vorlesen. Die Neugeborenen bekamen einen Nuggi, der mit einem Gerät verbunden war, das die Sauggeschwindigkeit aufzeichnete. Die Babys nuckelten schneller, wenn sie die Stimme ihrer Mutter hörten, was ihre klare Vorliebe für die vertrauten Klänge belegte.

Melodie ist wichtiger als Inhalt

Neueste Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2023 zeigen, dass es nicht die einzelnen Worte oder Inhalte der Geschichten sind, an die sich die Kinder erinnerten. «Das Baby erinnert sich nicht genau an die Handlung des Märchens der sieben Geisslein, wenn es auf die Welt kommt», sagt Mueller. Vielmehr ist es die Prosodie, also der Sprachrhythmus und die Sprachmelodie, die vertraut klingt.   

Jutta Mueller, Psycholinguistikerin und Sprachfoscherin an der Universität Wien

Jutta Mueller, Psycholinguistin und Sprachforscherin an der Universität Wien.

ZVG / Barbara Mair

«Ein bestimmter Teil des akustischen Signals durchdringt den Mutterleib, und zwar sind das die langsamen Schwingungen», sagt Mueller. Das waren auch die Twists in den Geschichten – eine Gruppe der Mütter las Geschichten mit vielen hellen I- und E-Lauten vor, die andere enthielt vor allem dunkle O- und U-Vokale. Die Ergebnisse zeigten, dass vor allem die dunklen Laute zu Wiedererkennung führten. 

Die Bedeutung dieser Ergebnisse ist weitreichend. Bereits im Mutterleib beginnt das Baby also, seine Umwelt zu «verstehen» und legt damit den Grundstein für die spätere Sprachentwicklung. Werdende Eltern können dies durch Vorlesen, Singen oder Sprechen während der Schwangerschaft bereits positiv beeinflussen.

Von Olivia Ruffiner am 17. Oktober 2024 - 07:00 Uhr