Im lichtdurchfluteten Atelier eines Reihenhauses in Zürich Oerlikon, auf dem Perserteppich ihrer Grossmutter, entfaltet Modedesignerin Ladina Kienast, 37, ihre Vision von Slow Fashion. Hier entstehen nicht nur Kleider, sondern Geschichten, Formen und Farben. Die Herbst-Winter-Kollektion hängt ordentlich auf metallenen Kleiderständern.
Wieso der Wechsel zur Mode nach Jahren als Primarlehrerin?
Ladina Kienast: Ich liebe diesen sozialen Beruf und übe ihn nach wie vor zwei Tage die Woche aus. Aber er fordert viel Energie, weil man viel gibt. Ausser Stricken und Nähen mochte ich abends nichts mehr unternehmen. So vertiefte ich meine Kreativität auch nebst dem Unterricht, bildete mich zur Schneiderin und Fashion-Designerin aus. Nun habe ich eine Balance zwischen beiden Welten gefunden – mein kreatives Gleichgewicht.
Woher beziehen Sie Ihre Stoffe?
Da liegt der Fokus auf ungenutzten Reststoffen grosser Modehäuser, die ich über einen italienischen Zwischenhändler bekomme. Manchmal sind es luxuriöse Stoffe von Dior, manchmal feiner Kaschmir von Lanificio Colombo. So kann ich den schönsten Resten der Modewelt ein neues Leben geben, nachhaltig und spannend zugleich. Kaufe ich Stoffe ab Meter, achte ich auf zertifizierte Naturfasern wie Wolle, Seide oder Zellulose.
Was steht hinter Ihrem gleichnamigen Modelabel Kienast?
Eine grosse Faszination fürs Handwerk der Schneiderei, wie sich ein simpler Schnitt in 3-D verwandelt und plötzlich «lebt». Stoffe sind Geschichten, die zum Leben erwachen, wenn jemand sie trägt. Ganz wichtig ist der Fokus auf Nachhaltigkeit und lokale Produktion: Kienast entsteht von A bis Z in der Schweiz.
Warum die lokale Produktion?
Die Entscheidung fiel leicht. Bei Punto 301 in Mendrisio, benannt nach dem Steppstich, fand ich eine Produktionsstätte, mit der ich direkt und flexibel zusammenarbeiten kann. Ich kann kleine Mengen und Einzelanfertigungen produzieren – Slow statt Fast Fashion – ohne Überschuss oder Lagerhaltung. Dank kurzen Wegen gibt es keine Zoll- und Versandprobleme. Und: Es ist doch schön, zu wissen, woher die Kleidung stammt, die man täglich trägt. In der Schweizer Textilbranche steckt viel Leidenschaft und Innovationsgeist, und ich freue mich, Teil dieses Netzwerks zu sein.