«Hotline Bregaglia, Clavuot, guten Tag.» So meldet sich Gino Clavuot rund 200mal täglich. Zusammen mit seinem Zivilschutzkollegen verstärkt er seit Donnerstag das Hotline-Team der Gemeinde Bregaglia, zu der das Dorf Bondo gehört. Letzte Woche sind hier riesige Felsmassen ins Tal gedonnert, haben Häuser zerstört - und acht Wanderer in den Tod gerissen.
Das Hotline-Team nimmt täglich rund 500 Anrufe entgegen. Clavuot ist Kommandant der Zivilschutzkompanie Engiadina Bassa/Val Müstair, Bevölkerungsschutzkoordinator beim Amt für Militär und Zivilschutz Graubünden – und Rapper. Die meisten Fragen kämen von Einheimischen, sagt Clavuot. Sie wollen wissen, wann sie wieder in ihre Häuser zurückkehren können und welche Strassen passierbar sind. Wanderer fragen nach begehbaren Routen. Doch auch die Angehörigen der acht Vermissten rufen bei ihm an. Seit die Polizei am Samstag bekannt gegeben hat, dass sie die Suche nach den Wanderern einstellt, betreut ein Care Team deren Angehörige.
Clavuot ist seit 2004 Zivilschützer: «Das ist eine gute Sache und äusserst sinnvoll. Das sieht man auch hier in Bondo», meint er. Seit der Jahrtausendwende rappt er unter dem Namen Snook. Er hat mehrere CDs rausgebracht, die nächste Single steht am Start.
24 Stunden pro Tag erreichbar
Doch momentan sitzt der Rapper von morgens 6.30 Uhr bis abends um 23.00 Uhr am Telefon. Danach leitet er die Anrufe auf sein Handy um, damit die Hotline 24 Stunden täglich in Betrieb ist. Zur Hotline gekommen ist er dank seiner Sprachgewandtheit als Rapper: Er spricht Italienisch, Englisch, Deutsch und Romanisch. Und er ist Projektleiter Gefährdungsanalyse. Dabei errechnet er Eintretenswahrscheinlichkeiten verschiedenster Gefährdungen und entwirft Gegenmassnahmen. Der studierte Volkswirtschafter ist begeisterter Statistiker und mag Zahlen und Wahrscheinlichkeiten. Von der Lawine bis zur Pandemie reiche sein Gebiet, sagt er.
Obwohl er von Amtes wegen mit Gefährdungen rechnet, überraschte auch ihn das Ausmass des Felssturzes in Bondo. «In dieser Form habe ich das noch nie erlebt,» sagt er. Als Unterengadiner Bergler ist er sich durchaus bewusst, dass man in Graubünden immer mit Naturgefahren rechnen muss. «Deshalb ist es wichtig, dass man auf derartige Ereignisse gut vorbereitet ist.» Wie stark die Natur ist und wie ausgeliefert die Menschen ihr sind, hat ihn aber trotzdem stark beeindruckt.
Verarbeiten am Abend
«Diese Telefonate waren sehr emotional» erklärt Clavuot. Doch am Telefon ist er ganz Profi: «Ich will für die Leute da sein und ihnen die Auskünfte geben, die sie brauchen.» Am Abend erst lässt er die Gespräche nochmals Revue passieren, um sie so zu verarbeiten.