Sagen Sie mal, Frank A. Meyer, Sie kennen doch Dominique Strauss-Kahn …
Vor drei Jahren war er zusammen mit seiner Gattin Anne Sinclair, einer Journalistin, mein Gast am jährlichen Dîner Républicain in Ascona.
Und? Wie haben Sie ihn erlebt?
Sehr sympathisch, sehr bescheiden, und dann sehr überzeugend in der Diskussion.
Waren Sie überrascht, als Sie von dem Vergewaltigungsvorwurf gegen ihn erfahren haben?
Wer war nicht überrascht? Die ganze Welt war überrascht. Überrascht und schockiert.
In Frankreich galt Strauss-Kahn schon seit Jahren als manischer Schürzenjäger. Wenn zutrifft, was ihm das Zimmermädchen vom «Sofitel» New York vorwirft, ist Strauss-Kahn kriminell. Schürzenjäger waren auch Giscard d’Estaing, Jacques Chirac, François Mitterrand. Es ist im Übrigen keine französische Spezialität: Mächtige Männer neigen nun mal dazu, ihre Macht nicht zuletzt als Verfügungsmacht über Frauen zu interpretieren.
Ein interessanter Gedanke – können Sie den konkretisieren?
Die Welt der Macht ist von Testosteron geschwängert. Der Aufstieg in der Hierarchie, die Konkurrenz an der Spitze, der Kampf um den Erfolg mobilisieren uralte Instinkte von Sieg, Eroberung und Knechtung der Unterlegenen. Es geht um Status, Beute und Trophäen. Zu dieser ranzigen Machowelt gehört dann wie von selbst die Verfügbarkeit der Frau, die Eroberung der Frau, die Unterwerfung der Frau.
Schwarzenegger, Berlusconi, Clinton – sind Männer so? Oder hat die Macht sie verdorben?
Die Männer haben sich ihre Macht-Welt auf den Leib geschneidert. Denken Sie nur an die Wirtschaft!
Was wollen Sie jetzt damit sagen?
Wie lautet Ihre Funktionsbeschreibung, Marc Walder?
«CEO von Ringier Schweiz und Deutschland» – warum fragen Sie das?
Was bedeutet CEO?
CEO ist die Abkürzung für den englischen Begriff «Chief Executive Officer».
Das sind drei Machtbegriffe. Der Letzte ist sogar ein militärischer. Wieso eigentlich? Die Antwort ist ganz einfach: Die Wirtschaftshierarchie entlehnt ihre Sprache, zum grossen Teil auch ihre Organisationsformen, der militärischen Hierarchie. Also einer Welt, die auf Gewalt ausgerichtet ist. Die Kultur der Wirtschaft ist entsprechend getränkt mit Vorstellungen von Macht und Herrschaft.
Warum ist das Ihrer Meinung nach so?
Alphatiere müssen eine Spitzenstellung anstreben, um sich zu verwirklichen. Es ist deshalb kein Zufall, dass die Wirtschaft eine Sprache des Krieges pflegt. Da werden «Offensiven gestartet», da werden «Unternehmen belagert», da finden «Abwehrschlachten» statt, da werden «feindliche Übernahmen» geplant, da dreht sich alles um «Marktmacht» und «Strategie». In dieser Welt der Machtspiele ist kein Raum für Liebe und Zärtlichkeit.
Jetzt sind Sie aber sehr kategorisch!
Ich sage ja nicht: Alle Männer in ihren Machtwelten, ob Wirtschaft oder Politik, seien frauenverachtend. Ich sage nur: Diese Machtwelten verführen Männer zur Hybris, zu dem Gefühl, alles und alle müssten ihnen zu Füssen liegen. Eben auch die Frauen.
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