Als Prisca Zaccari, 45, mit ihrer Tochter Milena und deren Freundin Riana, beide 11, das Strässchen zum Weiler Olmerswil TG hinauffährt, kommt ihnen ein Traktor mit Ladewagen entgegen, links und rechts auf der Weide grasen Kühe. Aber auf dem Hof, den sie besuchen, wohnen keine Schönheiten mit zwei Hörnern, sondern solche mit zwei Höckern: Zwölf Kamele besitzt das Team des Kamelhofs Olmerswil in Neukirch an der Thur.
Ulli Runge, 42, der viele Jahre als Tierpfleger arbeitete und heute Ansprechpartner für Zoos und Privatpersonen bei Fragen rund ums Kamel ist, konnte den Hof mit seiner Partnerin Karin Stiffler und ihrer Kollegin Katherine Kreutzer, beide 43, vor neun Jahren in Pacht übernehmen. Damals arbeiteten sie noch alle im Walter Zoo in Gossau SG. Von verschiedenen Tierparks und von überforderten privaten Haltern übernahmen sie nach und nach Dromedare und Trampeltiere - zum Teil auch solche, die sie zuerst aufpäppeln mussten. Von Anfang an haben sie Ausritte angeboten, und bald machten sie sich selbstständig. Im vergangenen Jahr konnten sie den Hof kaufen, und jetzt wollen sie das Angebot erweitern: mit einem Gnadenhof für Kamele, die andernorts keinen Platz mehr haben, sowie mit einem grösseren Souvenir-Basar und Übernachtungen in der Jurte.
Für unsere drei Ausflüglerinnen und eine weitere Besucherin, die alle einen Ausritt gebucht haben, stehen Tengri, Sambal, Kuthan und Hemangi parat, mit je einem Sattel zwischen den Höckern. Die beiden Mädchen aus Bernhardzell SG sind schon oft auf Ponys geritten - auf einem Kamel erst einmal. «Mit den Kamelen geht alles etwas gemütlicher», sagt Milena. Das gefällt ihnen, und so besuchen sie den Kamelhof zum zweiten Mal. Die Kamele können aber auch anders, wie Ulli Runge erzählt. «Wir nehmen manchmal an Rennen teil, dann galoppieren sie richtig.»
Die Ausflugsgruppe geniesst heute den gemütlichen Gang der Tiere. Ulli und Katherine helfen den Besucherinnen in den Sattel - auf einer Höhe von etwa einem Meter achtzig. Von da oben geniessen sie die Aussicht auf die leicht hügelige Wiesenlandschaft mitten im Thurgau. In gemütlichem Tempo wackelt die Karawane los, zum Waldstück in der Nähe. Weil die Wetterstationen Gewitter ankündigen, führen die Bauern fleissig Heu ein. Und da kommt ihnen bereits der erste Traktor mit Anhänger entgegen. Auf das Handzeichen von Karin, die die Karawane begleitet, hält er an und wartet, bis sie an ihm vorbei sind. Kamele seien in Reitgruppen eigentlich total praktisch, da sie nicht so schreckhaft sind wie Pferde, sagt Ulli. «Aber bei so einem grossen Gefährt sind wir lieber vorsichtig.»
Als sie im nächsten Weiler ein Haus passieren, schrillt eine Säge auf - aber Tengri, Sambal, Kuthan und Hemangi zucken nicht mal mit der Wimper. Auch später nicht, als ihnen ein Töff und der nächste Traktor entgegenfahren. Als sie dem Waldrand entlangschreiten, hält der Bauer vom Nachbarhof mit seinem Traktor an, bis die Karawane vorbei ist, und nach dem stündigen Rundritt können sie bereits wieder den Kamelhof sehen.
Bei ihrer Heimkehr stolziert gerade der rabenschwarze Güggel Lafayette mit seinen Hühnern über den Vorplatz. «Keine Angst, er ist ganz zahm», beruhigt Karin die Besucherinnen. Der Cemani-Hahn sitzt gern mit ihr auf der Bank vor dem Haus und lässt sich streicheln. «Könnte er es, würde er wohl schnurren wie ein Kater», erzählt sie lachend.
Doch auch Tengri, Sambal, Kuthan und Hemangi erwarten nach dem Ausritt ihre Streicheleinheiten. Und die Mädchen dürfen jedem einen Apfel füttern. «Wäääh!», ruft Milena, «Kuthan hat mir die Hand vollgesabbert!» - «Aber das machen die Pferde doch auch!», entgegnet Mama Prisca lachend. «Ja, aber weniger! Ich sabbere dem Pfarrer auch nicht die Hand voll, wenn er mir die Hostie gibt!», ruft Milena. Schnell wäscht sie sich die Hände am Wasserhahn vor dem Stall. Karin und Katherine bringen die Kamele auf die Weide, und Ulli zeigt den Besucherinnen in der Jurte weitere Bewohner des Kamelhofs: Amur-Natter Natalia, Dornschwanzechse Jamila und Frettchen Abraxa. Danach bräteln sich Zaccaris und Riana eine Wurst im lauschigen Garten - fast wie auf einem ganz normalen Bauernhof.