«Du bist ein Schlaumeier, stimmts?», sagt der Samichlaus. Er hat sein goldenes Buch aufgeschlagen, kurz darin gelesen, und jetzt schaut er Noah, 9, direkt in die Augen. Der Bub verliert sein spitzbübisches Grinsen und schaut einen Moment lang ganz verwundert drein. «Wieso weiss er das jetzt?», fragt er sich. Eigentlich glaubt er ja schon lange nicht mehr an den Samichlaus. Aber seinem kleinen Cousin Nils, 7, zuliebe sind Noah, seine Schwester Jana, 11, und deren Freundin Livia, 11, mitgekommen auf die Suche nach dem Samichlaus. Ein ordentliches Stück sind die Kinder ob Hergiswil NW durch den Wald geklettert. Dort, wo vor allem Einheimische bei Schnee mit ihren Ski den Hang hinunterflitzen, sind sie weiter hoch über eine Wiese gelaufen. Ganz oben am Langmattli schliesslich hat Nils einen roten Punkt entdeckt. «Da isch er!» Wenig später konnte man schon deutlich das Bimmeln der Eselsglöcklein vernehmen. Mit lautem «Iah» begrüssten die Tiere die Kinder bei der Büchsen-Hütte.
Das Häuschen ist eine von fünf Berghütten, die in Hergiswil gemietet werden können - auch über die Samichlaus-Vereinigung. Hier in Nidwalden wird der Brauch des heiligen Nikolaus noch ganz traditionell zelebriert. Der Samichlaus trägt nicht etwa die kommerzielle Zipfelmütze, sondern eine Mitra und einen Bischofsstab. Begleitet wird er von Engelchen, Eseln, dem Knecht Ruprecht mit seinem Korb voller Säckli und dem Schmutzli mit der Rute. Vor Letzterem hat Nils überhaupt keine Angst. Er streckt ihm zur Begrüssung sogar das Händchen hin. Später, als Nils sich vor dem Samichlaus für seine guten und schlechten Taten in diesem Jahr verantworten muss, wird klar: Der Kleine hat heuer wirklich nichts zu fürchten! «Ich kenne schon 13 Buchstaben vom ABC», sagt der Erstklässler stolz und schielt optimistisch auf Ruprechts Korb. Erst will der Samichlaus aber noch ein Versli hören. Hoppla, das hat Nils nicht auf Lager. «Ich singe dir dafür das Räbeliechtli-Lied vor, okay?», schlägt er vor. Der Samichlaus ist einverstanden.
Der Hergiswiler Chlaus gilt als einer der schönsten überhaupt. Kein Wunder, ist doch der heilige Nikolaus Schutzpatron der Gemeinde. Am 27. November um 18.30 Uhr zieht er in einem eindrücklichen Auszug aus der Pfarrkirche und durchs Dorf, begleitet von Treicheln und Iffelen. Das halbe Dorf ist auf den Beinen, um den Event so schön wie möglich zu gestalten. Allein beim Umzug helfen 800 Personen mit, von Schulkindern über Vereine bis hin zu Freiwilligen. Dazu kommt der Weihnachtsmarkt, genannt «Dorf-Advent», der im Vorfeld für Festtagsstimmung sorgt. Vom 4. bis 6. Dezember sind Chlaus, Schmutzli, Ruprecht und die Engel bei den Anwohnerfamilien und Betagten unterwegs. An allen anderen Daten können die Kostüme von Privatpersonen, Firmen oder Vereinen gemietet werden.
So wie von Familie Schuppisser für den kleinen Nils. Jetzt sind die beiden Grossen, Jana und Livia, mit ihren Versli an der Reihe. Vor lauter Aufregung entfällt ihnen der Text. Der Chlaus wartet geduldig, bis sie sich daran erinnern. Derweil hat Nils Zeit, die Hand nach dem buschig-weissen Bart des alten Nikolaus auszustrecken. Dieser bückt sich wohlwollend. «Weich wie es Schäfli», stellt der Kleine zufrieden fest. Noah, der «Schlaumeier», weiss natürlich, dass der Bart nur angeklebt ist. Aber das behält er schön für sich. Für so viel Rücksicht gibts dann doch ein Säckli. Noah schaut gwundrig rein. Erdnüssli, Mandarinli, Schöggeli findet er. Und ganz nach Nidwaldner Tradition auch einen Apfel und einen Lebkuchen. Da grinst er wieder bis hinter beide Ohren! Man muss eben nicht an den Samichlaus glauben, um sich über ihn zu freuen!
Infos Chlaus: www.samichlaushergiswil.ch; Hütte: www.hergiswil.ch; Weihnachtsmärkte, Samichlausumzüge und Ausflugsziele in Nidwalden: www.nidwalden.com