Es muss ein Bild für die Götter sein. Tagtäglich kraxeln Dutzende von Models über Stock und Stein, am Wochenende sind es sogar Hunderte schöner Frauen, die die Höhenmeter des Hausberges «Cerro de los tres Cruces» von Cali hinter sich lassen. Geübte brauchen gerade mal eine gute halbe Stunde bis zu den drei Kreuzen am Berggipfel, für weniger Trainierte kann der Aufstieg zur mehrstündigen Tortur werden. Doch was macht frau nicht alles, um die Konkurrenz auszustechen. Und die ist schliesslich hart in der drittgrössten Stadt Kolumbiens, wo der Kult um die Schönheit besonders gross geschrieben wird.
Der Spitzenreiter in den Schönheitskliniken: das Aufhübschen des Allerwertesten. «Der Kult um den weiblichen Hintern hat eine kulturelle Geschichte», wird der Arzt Antonio Mateno in der «Berliner Morgenpost» zitiert. Zum einen habe sich das afrokolumbianische Schönheitsideal durchgesetzt, zum anderen die Vorlieben der Drogenbosse der späten 90er-Jahre. Die wünschten sich nämlich Gespielinnen mit grossen Busen und einem knackigen Po. Deshalb war der Gang zum Chirurgen vor allem für Mädchen aus den sozial schwächeren Schichten Mittel zum Zweck - und das Eintrittsbillett in die reiche Gesellschaft.
Dass in Kolumbien Schnippeleien am Körper ganz alltäglich sind und einfach dazugehören, vermittelt sogar das TV. In Kolumbiens einst populärster Telenovela «Ohne Titten kommst Du nicht ins Paradies» bekamen schon die Kleinsten eingebläut, dass der Körper mit das wichtigste Kapital ist. Daher ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass bereits Schulkinder zum «Bildungsausflug» an die grösste Schönheitsmesse des Landes pilgern. Bei der Beauty- und Modemesse «Cali Exposhow», die am Wochenende zu Ende ging, wird klar, dass Schönheit in Cali ein lukratives Geschäft ist. Erst recht bei Jugendlichen, denn Eltern schenken ihren Töchtern nicht selten eine erste Operation zum 15. Geburtstag. Dem magischen Datum in Lateinamerika.
Höhepunkt der fünftägigen Messe ist jedoch die Wahl zum «besten Hintern von Valle». Dafür staksen Hunderte von Mädchen aus dem Departamento Valle de Cauca mit riesigen Hintern und ebenso grossen Brüsten über die Laufstege. Allesamt von den 150 Schönheitskliniken modelliert wie die übertriebenen Schaufensterpuppen in den Einkaufzentren der Stadt. «Verstärkt hat den Hunger nach Operationen das Aufkommen der sozialen Netzwerke. Facebook, Instagram oder Twitter sind Medien, die fast ausschliesslich virtuell funktionieren. Nur wer hier gut aussieht und einem Schönheitsideal entspricht, gewinnt Aufmerksamkeit und viele neue virtuelle Freunde», sagt der Schönheitsarzt Fernando Motta. Er kümmert sich um die Opfer von misslungenen Eingriffen und warnt vor übertriebenen Operationen.
Dass der Po in Lateinamerika einen so viel grösseren Stellenwert als in der Schweiz hat, sagte einst auch der Zürcher Schönheitschirurg Christoph Wolfensberger im Interview mit SI online. «Der Hintern ist viel wichtiger als der Busen.» Wie der aussehen muss? «Hauptsache rund!» Doch nebst dem stolzen Preis von rund 15'000 Franken ist der Eingriff auch äusserst heikel, mitunter kann er sogar tödlich enden.
Erst im April dieses Jahres verstarb die aus Cali stammende Schauspielerin Sandra Brand an den schweren Folgen einer Po-Operation. Es waren Komplikationen aufgetreten, die die 30-Jährige das Leben gekostet haben, schreibt Eltiempo.com. Als alleinerziehende Mutter hinterliess der Serien-Star drei Kinder im Alter von sechs, elf und 13 Jahren.