Mama Yilmaz, 51, holt die Lasagne aus dem Ofen und strahlt: «Funda hat Mut gezeigt. Überall, wo ich putzen gehe, werde ich auf den Kampf meiner Tochter um ihre Einbürgerung angesprochen. Alle Schweizer sagen mir: Funda hat es verdient, Schweizerin zu werden. Jetzt wird sie es – und das ist gut so. Funda ist hier geboren. Die Schweiz ist ihr Land.»
Mama Yilmaz hat recht. Ihre 25-jährige Funda zeigte im Juli Mut: Sie gibt der Schweizer Illustrierten das Protokoll der Gemeinde Buchs AG mit den 92 dümmlichen Fragen der Einbürgerungskommission zur Veröffentlichung frei, obwohl sie weiss, dass sie mit ihren Antworten nicht überall geglänzt hat.
Wenn es mit Ihrer Einbürgerung nicht klappt, dann möchte ich kein Schweizer mehr sein
Das Protokoll macht weltweit Schlagzeilen. Funda wird zur berühmtesten Ausländerin der Schweiz. Als die SI-Story erscheint, ist Funda mit ihrem Schweizer Freund Nico in der Türkei in den Ferien. «Das Handy läutete nonstop. Von der ‹New York Times› bis Radio Argovia wollten sie wissen, ob das Protokoll wirklich echt ist.»
Kaum zu glauben, dass man 38 Jahre nach dem Film «Die Schweizermacher» nicht eingebürgert wird, weil man wie Funda nicht weiss, dass der Gipfel bei Engelberg Titlis heisst.
Fassungslos liest man, dass die Einbürgerungskommission von Buchs Funda korrigiert, wenn sie auf die Frage, was typische Schweizer Sportarten seien, mit «Chlauschlöpfen» und «Skifahren» antwortet. Hören wollte die Kommission aber «Hornussen und Schwingen».
Goodwill der Schweizer Bevölkerung
Zurück aus den Ferien, liegt in Fundas Elternhaus ein Stapel von Solidaritätsschreiben, ebenso an ihrem Arbeitsplatz in Aarau, wo sie in einem Ingenieurbüro als Tiefbauzeichnerin arbeitet. Und die Gemeindekanzlei von Buchs sendet ihr ein Couvert voller Briefe aus der Bevölkerung.
Was Funda besonders aufstellt: «Ich habe bis heute keine einzige negative Reaktion erhalten. Nur Ermutigungen.» Auf einer wunderschön verzierten Karte steht: «Zufälligerweise habe ich als 80-Jähriger beim Zahnarzt die SI gelesen. Ich war schockiert. Das ist eine absolute Sauerei. Ich drücke Ihnen ganz fest die Daumen, dass die Einbürgerei noch zu klappen kommt. Wenn nicht, möchte ich kein Schweizer mehr sein.»
Einem anderen Brief liegt eine 50er-Note bei «als kleiner Beitrag an die Anwaltskosten». Eine Juristin aus Zürich schreibt unaufgefordert dem Gemeindeammann von Buchs auf vier Seiten eine Belehrung über die rechtliche Unhaltbarkeit des Vorgehens und schickt eine Kopie ihres Schreibens auch an Funda. Der Goodwill der Schweizer Bevölkerung stärkt Fundas Wille, am Einbürgerungsgesuch festzuhalten.
«Ich habe nie daran gedacht, wegen des ganzen Wirbels aufzugeben.» Darauf ist ihre Mutter Türken Yilmaz besonders stolz: «Ich habe meinen Kindern immer gesagt: Wer etwas will, muss es auch durchziehen.»
Funda hat in ihrem Kampf um die Einbürgerung viele mutige Schweizer kennengelernt: «Ich fand es gut, dass der Gemeindeammann von Buchs, Urs Affolter, mich persönlich nochmals zu einem Gespräch empfangen hat, obwohl die Einbürgerungskommission mich nicht mehr sehen wollte.» Ohne die beherzte Initiative des freisinnigen Gemeindepräsidenten hätte Funda nicht diesen Mittwoch vor dem Einwohnerrat von Buchs eine zweite Chance erhalten.
Ich bin mutiger und politischer geworden
Vor der entscheidenden Abstimmung im Gemeindeparlament hat sich auch Dorfbeck Marc Jaisli bei Funda gemeldet. Auf dem Schulweg hatte sie dort immer ihre Gipfeli gekauft. Die Einbürgerungskommission hatte sich aber darüber aufgeregt, dass Funda beim Verhör nicht spontan die Dorfbäckerei, sondern die Migros als wichtigsten Einkaufsort im Dorf genannt hatte.
Umso höher schätzt Funda die Initiative des Bäckers: «Herr Jaisli wollte mich persönlich kennenlernen. Wir sind zusammen spazieren gegangen. Zum Schluss hat er mir gesagt, er habe im Einwohnerrat vom 20. Juni noch gegen meine Einbürgerung gestimmt. Er werde dieses Mal aber zu 99 Prozent für mich stimmen. Das rechne ich dem SVP-Politiker hoch an, falls er sein Versprechen gehalten hat.»
Zunkunft als Schweizerin
Wenn alle Formalitäten erledigt sind und Funda in ein paar Monaten definitiv den Schweizer Pass erhält, will sie etwas von dem, was sie erlebt hat, weitergeben. «Vielleicht gibt mein Fall jungen Ausländerinnen, die schon lange hier leben und arbeiten, aber wie ich im Umgang mit Ämtern recht scheu und zurückhaltend sind, den Mut, selbstbewusster die Einbürgerung einzufordern, wenn sie die Anforderungen erfüllen.»
Die Türkin Funda ist stolz, eine Schweizerin zu werden. Jetzt erst recht. «Ich bin mutiger und politischer geworden.» Im Dezember wird sie an einem SP-Weiterbildungstag für Immigranten ihre Erfahrungen an einem Vortrag weitergeben. Bahnt sich da eine Polit-Karriere an? Funda lacht: «Das glaube ich nicht. Aber ich will jetzt der SP beitreten.» Die Partei ihres Anwalts Markus Leimbacher hat es ihr angetan.
Priorität hat jetzt aber Nico, mit dem sie nächstes Jahr zusammenziehen und den sie heiraten will. «Kinder müssen noch warten. Ich will mich zuerst weiterbilden, damit ich mich später als Tiefbauzeichnerin selbstständig machen und von zu Hause aus arbeiten kann.»
Zuerst wollte sie an die Fachhochschule. «Aber es hat nicht geklappt. Mein Französisch und Englisch waren zu wenig gut. Jetzt versuche ich es über die Lehrmeister-Prüfung.» Das Motto von Funda und ihrer Mutter gilt auch hier: Wenn es im ersten Anlauf nicht gelingt, dann im zweiten.