Hoch über der Bundesstadt, im Rosengarten, treffen sich vier Gymischüler. «He, du bist ja auch von hier, dich habe ich noch nie gesehen», sagt Ronja Fankhauser und strahlt Saskia Rebsamen an. Albertine Grbic und Manoë Ducrest sind aus der Westschweiz nach Bern gereist. Obwohl sie sich nicht kennen, kämpfen sie für das Gleiche: ihre Zukunft! Sie sind Teil der Klimastreik-Bewegung und fordern den nationalen Klimanotstand.
In der Bundesstadt ein Zeichen setzen
Ronja Fankhauser ist auf einem Bauernhof aufgewachsen. «Meine Eltern spüren die Auswirkungen des Klimawandels schon jetzt.» Das Kantonsparlament in Basel hat den Klimanotstand ausgerufen – als erste Schweizer Stadt. «Was die Basler geschafft haben, müssen wir jetzt auch in Bern und der ganzen Schweiz hinbekommen», fordert die Schülerin.
Albertine Grbic, 16, Lausanne VD, Gymischülerin
«Ich will mehr tun, als nur PET-Flaschen und Papierabfall recyclen. Wir Schweizer verschmutzen die Umwelt im Ausland viel mehr als hierzulande. Es ist Zeit, Verantwortung zu übernehmen für das Desaster, das wir in anderen Ländern verursachen. Ich hoffe, in Lausanne werden viele Schülerinnen und Schüler mit mir streiken.»
Saskia Rebsamen, 16, Worb BE, Gymischülerin
«Je bekannter unsere Bewegung ist, desto grösser wird sie. Das ist cool. An meiner Schule müssen wir die Zeit, die wir streiken, nicht nachholen. Stattdessen müssen wir einen Vortrag zum Thema halten. Ich finde das eine gute Lösung. Schlussendlich geht es nicht um zwei Lektionen, die wir fehlen, sondern um unsere Zukunft.»
Ronja Fankhauser, 19, Bern, Gymischülerin
«Wir werden kritisiert, dass es heuchlerisch ist, wenn wir für das Klima streiken und gleichzeitig Handys haben und fliegen. Wir fordern den Staat auf, uns einzuschränken, wo wir es nicht können. Das ist mutig, nicht heuchlerisch. Wir müssen nicht perfekt sein, um zu streiken.»
Manoë Ducrest, 18, Bulle FR, Gymischüler
«Meine Eltern haben mir schon früh mitgegeben, dass es richtig ist, mich für meine Mitmenschen und meine Umwelt einzusetzen. Ich glaube, das Pariser Klimaabkommen ist die beste Basis, um genau jetzt eine grüne Revolution zu starten. Die Klimafrage muss bei jeder Entscheidung der Politik immer im Vordergrund stehen.»
Sieben Zürcher für eine bessere Zukunft
Samstagnachmittag in Zürich. Statt rumzuhängen, haben sich sieben Jugendliche aus der ganzen Schweiz getroffen, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen. Der Jüngste ist Kasimir Heer, 14. «Wir müssen uns jetzt für die Umwelt einsetzen, denn bald ist es zu spät.» An seiner Seite steht der Älteste, der 22-jährige Nicola Bossard. Er fügt hinzu: «Solange Leute wie Albert Rösti, der gleichzeitig Chef der SVP und von Swissoil ist, das Sagen haben, kommen wir nicht vom Fleck. Es braucht uns!»
Andri Gigerl, 19, Zürich, Gymischüler
«Das Klimaproblem muss in der Schweiz die oberste Priorität haben, nicht unsere Wirtschaft.»
Oscar Kläsi, 17, Rüti ZH, Gymischüler
«Vor den Streiks war ich nicht so interessiert. Jetzt weiss ich, wie schädlich Fliegen und Fleischkonsum sind.»
Selina Dienemann, 16, Augst BL, Fachmittelschülerin
«Es darf keine gratis Plastiksäckli mehr in den Läden geben. Das sollte doch eigentlich logisch sein.»
Dario Vareni, 20, Weisslingen ZH, Biologie-Student
«Hundert Firmen sind für 70 Prozent der Emissionen auf der Welt verantwortlich. Die müssen sich verändern, nicht Einzelpersonen.»
Nicola Bossard, 22, Kölliken AG Student Umweltwissenschaften
«Erneuerbare Energien waren noch nie so günstig. Sobald es um neue Kampfjets und Autobahnen geht, haben wir auch genug Geld.»
Kasimir Heer, 14, Zürich, Gymischüler
«Ich will eine Zukunft haben. Endlich ist eine Bewegung entstanden, um die Politiker wachzurütteln.»
Amani Christen, 19, Abtwil AG, Gymischülerin
«Im Unterricht wird der Klimawandel oft oberflächlich behandelt. Darum gibt es immer noch viele Junge, die wenig darüber wissen.»
Die Ostschweizer-Connection
Jeden Freitag steht die 16-jährige Greta Thunberg vor dem schwedischen Parlament und protestiert mit einem Schulstreik. «Als ich davon hörte, wusste ich, dass ich mitmachen will», sagt Nick Oberholzer. Mit einigen Freunden organisiert er die ersten Streiks in der Ostschweiz. «Natürlich kann die Stadt St. Gallen alleine die Klimakrise nicht lösen. Die ganze Schweiz muss mitmachen», sagt Miriam Rizvi.
«Wir können viel erreichen, wenn wir auf Kohle, Erdöl und Gas verzichten.» Gianluca Looser aus Schaffhausen fügt hinzu: «Wenn wir in 50 Jahren in der Schweiz ein Klima wie im Mittelmeerraum haben und unsere Gletscher geschmolzen sind, ist es zu spät. Darum müssen wir jetzt handeln.» Am 15. März schwänzen sie deshalb zusammen mit Schülerinnen und Schülern aus 40 Ländern und vier Kontinenten für das Klima die Schule.
Moritz Rohner, 20, St. Gallen, Zivildienstler
«Wir hatten letztes Jahr massive Ernteausfälle und Kälteeinbrüche im Frühling. Wir sehen die Auswirkungen der Klimakrise bereits, trotzdem unternimmt niemand etwas.»
Nick Oberholzer, 17, St. Gallen, Gymischüler
«Unsere Forderungen sind wichtig. Werden sie umgesetzt, kann hoffentlich das Schlimmste verhindert werden.»
Miriam Rizvi, 17, St. Gallen, Gymischülerin
«Flüge müssen für die Airlines teurer werden, zum Beispiel durch eine höhere Kerosinsteuer.»
Gianluca Looser, 16, Schaffhausen, Gymischüler
«Die SVP und die FDP müssen die Klimakrise anerkennen. Denn langfristig wird auch unsere starke Wirtschaft darunter leiden.»
Naomi Brot, 18, Kreuzlingen TG, Gymischülerin
«Auch wenn wir ein kleines Land sind, haben wir alle Mittel, um als Vorbild voranzugehen.»
Vom Herzen der Schweiz
Am Luzerner Seeufer weht ein kühler Wind. Trotzdem ziehen Nele Zehne und Dennis Bu-cher ihre Turnschuhe und Socken aus und steigen ins fünf Grad kalte Wasser des Vierwaldstättersees. «Was man nicht alles für den Umweltschutz macht», sagt Bucher und lacht laut. An den Streiks sind vorwiegend Gymischüler und Studenten aktiv.
«Für uns Lehrlinge ist es schwieriger zu streiken», sagt Bucher. «Wir sind ja oft abhängig von der Entscheidung unseres Lehrmeisters. Ich glaube, keiner von uns will seine Lehrstelle verlieren.» Auch Ronahi Yener, die letzten Sommer ihre KV-Lehre abgeschlossen hat, teilt diese Erfahrung: «Dabei gehts ja um die Zukunft von uns allen.»
Nele Zehne, 17, Sarnen OW, Gymischülerin
«Ich will das beschützen, was ich liebe, und das ist die Natur. Aus diesem Grund streike ich. Wir sind viele, und wir sind stark. Ich habe unserem Rektor einen Brief geschrieben und ihn um Erlaubnis gebeten, zu streiken. Wenn ich eine Absage bekomme, werde ich an der nächsten Demo auf die Strasse gehen und für die Zukunft kämpfen.»
Dennis Bucher, 18, Luzern, Telematiker-Lehrling
«Aus wirtschaftlichem Interesse verschliessen die Politiker die Augen. Das hat mich dazu bewegt, Teil der Bewegung zu werden. Da ich eine Lehre mache, kann ich am Freitag nicht streiken. Sonst bekomme ich Probleme mit meinem Arbeitgeber. Aber ich werde an der nächsten Klimademonstration teilnehmen, die an einem Samstag stattfindet.»
Ronahi Yener, 19, Zug, KV-Angestellte
«Obwohl die linken Parteien einige Ziele verfolgen, um die Klimakrise aufzuhalten, reicht das noch nicht. Sie müssen kompromissloser werden. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien leisten sie aber gute Arbeit. Die ignorieren das Thema komplett.»
Inès Marthaler, 20, Freiburg, Studentin Religionswissenschaft
«Es sind viele Jahre vergangen, seit die ersten Wissenschaftler uns gewarnt haben, dass eine Krise auf uns zukommt. Trotzdem haben die Politiker keinen Finger gerührt, um das zu ändern. Und auch die Grosskonzerne haben sich nur um ihren eigenen Profit gekümmert. Nun muss meine Generation mit den Konsequenzen leben.»