Morgens ein Foto von den Füssen auf der Waage, am Wochenende ein Ganzkörperbild in Unterwäsche. Die Regeln der Whatsapp-Gruppierungen der Pro-Ana-Bewegung sind streng. Täglich muss dokumentiert werden, was die Hungernden für Fortschritte machen, was und wie viel sie essen. Was mit den Kalorientabellen und Gewichtstagebüchern an die Weight Watchers erinnert, hat viel verheerendere Absichten. Nämlich dünn zu sein. Um jeden Preis - und mit der Erreichbarkeit rund um die Uhr.
Via Whatsapp werden eiserne Diät- und Trainingspläne propagiert, konfuse Regeln und Gebote aufgestellt. Bilder von Oberschenkellücken, herausstehenden Schlüsselbeinen und Rippen sollen zum Hungern motivieren. Das bei Teenagern zwischen 14 und 18 Jahren, die sich noch voll im Wachstum befinden und verharmlosen, was sie da treiben. Denn was mit «Pro Ana» so harmlos klingt, ist die Abkürzung für eine schlimme Krankheit: Anorexia. Unbehandelt kann die Magersucht chronisch werden und im schlimmsten Fall zum Tod führen.
Während Jugendschützer ein wachsames Auge auf Pro-Ana-Seiten haben, lassen sich derarte Smartphone-Communitys nicht kontrollieren. Bereits 70 Prozent aller 12- bis 19-Jährigen nutzen den Instant-Messenger-Dienst Whatsapp. Hier können die Mädchen in einer Art Chatroom Interessengruppen gründen und andere über deren Handynummern hinzufügen. Wer zu selten online ist, zunimmt oder zu wenig schreibt, wird schnell aus der Gruppe entfernt. Wer bleiben darf, muss sich nicht selten bei sogenannten «Challenges» beweisen: etwa bei einem besonders harten Sportprogramm oder gemeinsamem Fasten. Regelmässig werden Ranglisten erstellt, die sich meist nach dem Body-Mass-Index richten. Auf diese Art können die essgestörten Mädchen sehen, wo sie und wo andere stehen.
Dass sich dabei die Stimmung unheimlich aufheizt, weiss der deutsche Psychologe Andreas Schnebel, der den Verein ANAD leitet. Jede will die andere übertrumpfen, noch weniger essen und noch mehr Sport machen, sagt er zu Stern.de. «In dem Alter sind die Mädchen leicht beeinflussbar.» Bei einem Grossteil seiner Patientinnen, die mit Pro Ana in Kontakt gekommen sind, habe sich die Krankheit dadurch verschlimmert. Wichtig sei daher, dass Eltern betroffener Kinder weder Internetseiten sperren noch Handys wegnehmen. Stattdessen sollen sie mit den Jugendlichen in Kontakt bleiben, ihnen Einrichtungen ans Herz legen und darüber sprechen, was sie in der Chat-Gemeinschaft tun. Denn Magersucht sei zwar gefährlich, aber auch gut behandelbar, so der Experte.