Herr Baumgartner, Sie sagten Ihren Kommandanten, unser Kaktus hätte noch grösser sein dürfen. Was ist genau in Emmen passiert?
Es gab ein Video, das öffentlich wurde. Man sieht, dass Soldaten auf Befehl ihres Gruppenführers einen anderen Soldaten zur Strafe mit Nüssen beworfen haben. Wobei auf dem Video nicht klar ist, ob es Steine oder Nüsse waren.
Was waren es?
Baumnüsse. Aber das ist egal: Demütigendes Verhalten akzeptieren wir absolut nicht.
Wie haben Sie selber vom Vorfall erfahren?
Wie alle anderen über die Presse.
Was haben Sie nachher dem gesteinigten Rekruten gesagt?
Diese Schule ist nicht in meinem Kommandobereich. Aber als Ausbildungschef der Armee war ich natürlich der Richtige für Ihren Kaktus. Der Chef der Armee, Philippe Rebord, war letzte Woche beim Rekruten und dessen Vater. Sie haben sich ausgesprochen.
Und bleibt der Rekrut trotz dieser Demütigung in der Armee?
Ja, er bleibt. Die Armee stärkt ihm den Rücken. Denn er weiss: Solche Bilder aus der Armee sind für uns inakzeptabel. Das ist nicht das Bild der Armee, das wir wollen.
Und was passierte mit dem Gruppenführer?
Er wurde disziplinarisch bestraft. Solche Videos widersprechen unseren Reglementen. Jetzt haben wir dafür hinzustehen, dass das nie mehr passiert.
Sie haben uns zum Jahresrapport nach Suhr eingeladen. Warum?
Am Tag, an dem der Kaktus kam, kriegte ich über 150 SMS. Sofort haben wir uns deshalb damit auseinandergesetzt. Mir war von Anfang an klar, dass wir das nicht totschweigen, sondern zum Thema machen. Darum haben wir Sie auch eingeladen. Als Zeichen des Respekts für Ihre Arbeit. Und ich gebe Ihnen recht: Machtmissbrauch und Schikane haben in der Armee nichts zu suchen. Wir werden das Video nun in der Kaderausbildung als Beispiel nutzen. Damit alle sehen und verstehen, dass die Integrität des Menschen zu respektieren ist.
Sie haben gesagt, der Kaktus sei eine Chance.
Die ersten Abklärungen zeigten, dass der Vorfall nicht ganz so war, wie es die Bilder zeigen. Wir hätten ja auch sagen können: Warten wir die Untersuchungsresultate ab. Aber wir wollen so was nicht beschwichtigen. Die Bilder gibt es. Für die Öffentlichkeit ist so was tabu. Für uns auch.
Sie stehen jetzt selber am Pranger, weil Sie mit Ihrer Geschäftsleitung bei einem Anlass 53 Appenzeller Alpenbitter auf Kosten des Steuerzahlers getrunken haben. Wir haben uns überlegt, Ihnen dafür noch einen Kaktus zu schicken.
Wenn man die öffentliche Meinung dazu hört, dann hätte ich wohl einen zweiten Kaktus verdient.
Sie haben sich vorhin entschuldigt und gesagt, dass Sie sich disziplinar- und strafrechtlich nichts vorzuwerfen haben, aber moralisch schon. Was heisst das?
Die Gesellschaft akzeptiert so ein Verhalten nicht. Es darf sich nicht wiederholen. Auch wenn die Umstände in dieser Sache vielleicht anders waren, gibt es hier nichts zu rechtfertigen.
So Abende gehören doch zur Tradition jeder Armee. Bei mir in der belgischen war es Bier statt Appenzeller, das an Chefanlässen reichlich auf Staatskosten floss.
Diese Traditionen sind vorbei. So schenken wir heute zum Jahresrapport keinen Alkohol mehr aus. Natürlich darf man auch mal feiern. Aber in Zukunft teilen wir die Kosten und zahlen selber. Punkt.