Auf die neue Direktorin der Solothurner Filmtage trifft zu, womit die Migros seit Jahren wirbt: «Aus der Region. Für die Region.» Bei Anita Hugi, 44, ist noch der Zusatz «Und über die Region hinaus!» angebracht. Seit sechs Monaten im Amt, darf die gebürtige Grenchnerin (aus der Region!) kommende Woche die 55. Solothurner Filmtage (für die Region!) eröffnen. Für Anita Hugi ists die erste Ausgabe unter ihrer Verantwortung.
Sie setzt zum Auftakt auch gleich einen ersten Akzent: In der Vergangenheit spielte sich das Festivalprogramm ausschliesslich in der Stadt Solothurn ab. Heuer steht ein Ausflug aufs Industrieareal Attisholz an: In der Kantine der stillgelegten Cellulose-Fabrik Borregaard finden sowohl die Upcoming Award Night als auch das erste gemeinsame Fest der Schweizer Filmschulen aus Zürich, Genf und Luzern (über die Region hinaus!) statt.
Anita Hugi, die sich für Industriegeschichte interessiert, stiess zufällig auf das Areal. «Als ich den Filmschulen das Attisholz zeigte, fuhren sie auch total darauf ab.» Die neue Direktorin möchte mit dem kleinen Ausflug zu einem erweiterten Blick auf Solothurn als Filmstadt ermutigen. Oder wie sie es formuliert: «Ich mache gern Kratzer auf vorgefasste Meinungen.» Sie selbst sei stets für eine Überraschung gut – und auch zu haben.
Eine Frau mit Liebe zum Film im Blut. So beurteilt Felix Gutzwiller, 71, Präsident des Trägervereins der Solothurner Filmtage, Anita Hugi. In der Tat: Filme begleiten sie seit frühster Jugend. Hugi wächst mit zwei Geschwistern im Juradorf Vauffelin BE und der Arbeiterstadt Biel auf, wo sie zur Schule geht. «Mein Vater war ein begnadeter Geschichtenerzähler, er mochte Filme sehr», erinnert sie sich. Ihre Eltern seien offen gewesen, hätten sie in ihren Interessen gestärkt. «Ich glaube zudem, dass einen nebst dem Elternhaus auch die Schule und das Umfeld prägen, in dem man aufwächst.» Für die jugendliche Anita ist die Kinostadt Biel und deren Stadtbibliothek mit ihrer riesigen Sammlung an Schweizer und internationalen Filmen ein Ort, «an dem ich mich sehr gut nährte».
In Zürich studierte sie Übersetzungswissenschaften (Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch), arbeitete als Journalistin für die «NZZ am Sonntag» und für SRF-«Sternstunden». «Sprachen lernen ist gute Hirngymnastik», so Hugi. Sie beschäftigt sich früh mit dem Internet, lernt Programmieren, setzt Web-Dok-Projekte um – und zieht mit «neulandmagazin.net» ein eigenes Filmmagazin auf. «Sie hat unglaubliche Energie, macht Unmögliches möglich», bescheinigen ihr Wegbegleiter.
Peter Liechtis Film «Signers Koffer» ist eine «Initialzündung» für ihren Film-Enthusiasmus. Als sie 2016 nach Kanada geht, berät sie zuerst das Festival du Nouveau Cinéma, vergleichbar mit Locarno, ehe sie in Montreal die Programmdirektion des Festival International du Film sur l’Art (FIFA) übernimmt. «Bei meiner Arbeit geht und ging es immer um den Zugang und die Vermittlung von Kultur und Kunst.»
Rund 600 Filme schaute sich Hugi im Vorfeld der Filmtage an. Ein Vier-Wochen-Marathon von morgens 9 bis nachts um 23 Uhr. Hat sie da überhaupt noch Lust auf einen privaten Kinoabend? «Sicher! Zuletzt habe ich ‹Les Misérables› angeschaut.» Film ist auch in ihrer eigenen Familie dauerpräsent. Ihr Partner ist ebenfalls in der Filmbranche zu Hause. Wie gesagt: Anita Hugi lebt und liebt für den Film.