Alkoholprobleme bei älteren Menschen werden oft übersehen und bleiben oft lange Zeit unentdeckt oder werden absichtlich ignoriert. Man gönnt den Betagten ihr Gläschen. Es gibt eine Reihe von Risikofaktoren für Alkoholmissbrauch bei älteren Menschen: Beendigung des Berufslebens, das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, Leere und Langeweile, locker werdende soziale Netze, Einsamkeit, Verlusterfahrungen und Heimaufnahme, nachlassende Gesundheit, Häufung von körperlichen und seelischen Krankheiten.
Das Gefühl, nicht mehr auf Alkohol verzichten zu können, ist ein klares Anzeichen, dass man genauer hinschauen und sich an eine Fachperson wenden sollte. Problematisch sind auch ein Konsum, der Probleme verdrängen soll, eine steigende Konsummenge und Entzugserscheinungen. Auch wenn jemand wegen Alkohol bereits Probleme hatte, zum Beispiel eine Busse, einen Unfall, Streit, oder wenn nahestehende Menschen wegen des Konsums schon Sorge ausgedrückt haben, sollte das ein Anstoss sein, sich des Themas anzunehmen.
Das Älterwerden bringt Veränderungen mit sich, die beim Alkoholkonsum bedacht werden sollten. Der Wasseranteil im Körper sinkt. Der Alkohol wirkt deswegen stärker. Hinzu kommt, dass die Funktionsfähigkeit einiger Organe sich verändert, zum Beispiel der Nieren oder der Leber. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Alkoholmissbrauch im Alter und Beschwerden im Magen-Darm-Bereich, im Bereich der Blase – Stichwort Inkontinenz – sowie mit Depressionssymptomen. Ältere Menschen mit einem Alkoholproblem haben eine Tendenz zu Selbstvernachlässigung, einseitiger Ernährung, mangelnder Hygiene und Unterkühlung. Alkoholismus führt öfter zu früher Pflegebedürftigkeit und Unselbstständigkeit. Auch bei kleinen Konsummengen erhöht sich das Risiko für gesundheitliche Probleme.
Mit zunehmendem Alter überschreitet man die Promillegrenze schneller. Damit steigt die Unfallgefahr, zum Beispiel im Strassenverkehr oder im Haushalt. Zudem wird der Gleichgewichtssinn unempfindlicher, und die Beweglichkeit wird häufig eingeschränkt, was das Risiko von Unfällen weiter erhöht. Alkohol ist ein untaugliches Schlafmittel. Er beeinträchtigt die erholsamen Phasen des Schlafes, erzeugt oft paradoxe Reaktionen und provoziert verhängnisvolle Stürze.
Sehr problematisch ist die verbreitete Kombination von Alkohol und Beruhigungs- sowie Schlafmitteln. Viele Medikamente vertragen sich schlecht mit Alkohol, und die Wechselwirkung kann bei älteren Menschen negative Konsequenzen für die Gesundheit haben wie Bluthochdruck, Leberkrankheiten, Brustkrebs, Schlaflosigkeit, Depression und so weiter. Kombinierter Medikamenten- und Alkoholkonsum bei älteren Menschen ist einer der Hauptgründe für selbst verschuldete Verletzungen, Stürze oder Verkehrsunfälle. Eng mit dem Phänomen der Alkoholabhängigkeit im Alter verknüpft sind Depressionen. Sie sind häufiger als jede andere Krankheit in dieser Lebensphase. Von den über 65-Jährigen, die zu Hause leben, haben rund 10 Prozent eine behandlungsbedürftige Depression. Von den in Alters- und Pflegeheimen lebenden Betagten sind es bis zu 40 Prozent. Obwohl Depressionen zu den häufigsten Erkrankungen überhaupt gehören, wird nur rund die Hälfte richtig diagnostiziert. Bei Senioren sind es noch weniger.
Der alternde Mensch sieht sich mit grossen Veränderungen konfrontiert. Soziale, berufliche, gesundheitliche und menschliche Verlusterlebnisse, Schwierigkeiten mit der Aufarbeitung der eigenen Lebensgeschichte und so weiter. Besonders im Wandel, der in den 60er-Jahren eintrat, erlebten die heutigen Betagten einen Zusammenbruch ihrer Ideale und Werte. Eine Depression kann demnach ein unbewusster Versuch sein, eingetretene Verluste nicht akzeptieren zu müssen und Trauer zu umgehen.
Die meisten depressiven älteren Menschen äussern fast ausschliesslich körperliche Beschwerden. Zudem sind die psychischen Symptome einer Depression im Alter oft anders als bei jüngeren Betroffenen. Nicht Niedergeschlagenheit oder gedrückte Stimmung stehen im Vordergrund, sondern ängstliches Klagen und körperbezogene Sorgen. Beschwerden, mit denen man schon jahrelang gelebt hat, werden überbewertet. Weitere typische Äusserungen einer Depression im Alter sind Kraft- und Appetitlosigkeit, Schlafstörungen und Schmerzen.
Eine andere grosse Schwierigkeit vieler alter Menschen ist die Unfähigkeit, über Gefühle und ihr Befinden zu sprechen. Den Betroffenen ist nur selten bewusst, dass sie an einer Depression erkrankt sind. Oft kreisen ihre Gedanken um ganz andere Dinge wie zum Beispiel um die Sorge, ob die Rente oder die Ersparnisse noch reichen. Vor allem am Morgen fühlt sich ein depressiver Mensch schlecht.
Bei einer depressiven Erkrankung im Alter muss immer das Risiko für einen Suizid bedacht werden. Selbsttötungen im Alter werden selten thematisiert. Dabei bringen sich im Verhältnis mehr Menschen im hohen Lebensalter um als junge Menschen. Besonders gefährdet sind über 75-jährige Männer. Die Behandlung von Altersdepressionen sollte auf ganz verschiedenen Ansätzen beruhen. Am wichtigsten sind umfassende soziale Unterstützung, viele zwischenmenschliche Kontakte, angepasste neue Aufgaben sowie eine gute Tagesstruktur. Sehr hilfreich sind auch Gesprächs-, Verhaltens- und Psychotherapie. Wichtigstes Ziel sind die Annahme der eigenen Lebensgeschichte und die Bewältigung aktueller Probleme. Der Einsatz von Antidepressiva muss gut bedacht werden, da die meisten älteren Menschen ohnehin schon eine Vielzahl von Medikamenten einnehmen müssen. Bei einer Depression im Alter ist unbedingt darauf zu achten, wie sich das Körpergewicht entwickelt. Die mit der Depression einhergehende Appetitlosigkeit ist einer der häufigsten Gründe für Mangelernährung, Schwäche, Infektionen, Stürze und Knochenbrüche.
Über die Aktion «DARÜBER REDEN. HILFE FINDEN.»
Viele Menschen in der Schweiz leiden auch seelisch unter den Auswirkungen der Coronakrise. «DARÜBER REDEN. HILFE FINDEN» heisst der Aktionstag, der vom BAG initiiert wurde und am 10. Dezember 2020 stattfindet. Die Hilfsorganisationen Pro Mente Sana, Dargebotene Hand, Pro Juventute, Pro Senectute, Caritas und das Schweizerische Rote Kreuz widmen sich gemeinsam mit Ringier, der SRG (alle vier Sprachregionen) und vielen weiteren Akteuren den verschiedensten Aspekten des Themas «psychische Gesundheit». Menschen in schwierigen Situationen erfahren so Solidarität und werden über konkrete Hilfsangebote informiert. Der Tag sensibilisiert auch die Gesamtbevölkerung dafür, im Umfeld aufmerksam zu sein und Hilfe zu leisten.
Weitere Informationen: bag-coronavirus.ch/hilfe