Vor allem für die Behandlung von Bewegungsstörungen bei Parkinson-Betroffenen kennt man die tiefe Hirnstimulation bereits seit Jahren. Dabei führt der Neurochirurg Elektroden durch die Schädeldecke ins Hirninnere zum Nucleus subthalamicus, dem Zentrum, das die Motorik mitsteuert. Es ist total faszinierend, zuzuschauen, wie sich die Bewegungen während des Eingriffs normalisieren. Das Inselspital blickt diesbezüglich auf eine lange Tradition zurück, wurde doch bereits 1998 die erste Parkinson-Patientin mit der Technik der tiefen Hirnstimulation behandelt. Inzwischen sind es über 40 Eingriffe jährlich allein am Inselspital.
Ein interdisziplinäres Ärzteteam des universitären Neurozentrums Bern hat sich dieses Wissen zunutze gemacht und erstmals eine tiefe Hirnstimulation bei einer depressiven Patientin durchgeführt. Dabei implantiert der Neurochirurg Prof. Dr. Claudio Pollo kleinste Elektroden in der Hirnregion des Nucleus accumbens, einem Bereich, der für Stimmungsstörungen, Motivation und Freude zuständig ist. Die Elektroden führen dem Hirn über einen Hirnschrittmacher, der unter dem Schlüsselbein im Brustbereich implantiert wird, dauernd elektrische Impulse zu.
Die tröstliche Botschaft, dass Depressionen kommen und gehen, trifft nicht in jedem Fall zu. Laut Prof. Sebastian Walther, Chefarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, litt die Patientin, bei der die tiefe Hirnstimulation durchgeführt wurde, seit zwei Jahrzehnten an einer schweren therapieresistenten chronischen Depression. «Die tiefe Hirnstimulation war ihre letzte Hoffnung, nachdem alle anderen Behandlungsformen wie störungsspezifische Psycho- und Pharmakotherapie sowie nichtinvasive Hirnstimulationsverfahren erfolglos ge-blieben waren», erklärt der Psychiater.
Die tiefe Hirnstimulation für psychiatrische Erkrankungen steckt noch in den Kinderschuhen. «Weltweit wurden bis dato rund 150 Fälle, die meisten davon allerdings in Studien, publiziert», erklärt Dr. Ines Debove, Oberärztin an der Universitätsklinik für Neurologie am Inselspital. Bei der einen Studie von deutschen Forschern aus Freiburg zeigt sich, dass die meisten Patienten auf die Therapie ansprechen. Einzigartig ist, dass sie dies auch dauerhaft tun.