Die Zahlen sind alarmierend! Jeder Zweite erleidet in der Schweiz einmal im Leben eine psychische Erkrankung. Jeder fünfte Jugendliche erkrankt in seiner Entwicklung an einem psychischen Leiden, jeder siebte an einer Depression. Jeder fünfte Arbeitnehmer leidet unter Depressionen. Die Ausfälle bei psychischen Leiden dauern dreimal länger als bei körperlichen Krankheiten, nämlich im Schnitt 37 statt bloss 11 Tage. Die Zahl der psychischen Erkrankungen und die Krankschreibungen aus psychischen Gründen haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt. 40 Prozent aller IVRenten und 75 Prozent aller IV-Neurenten sind auf psychische Störungen zurückzuführen. Die Zahl jugendlicher IV-Bezüger mit psychischen Diagnosen hat sich in den letzten zehn Jahren sogar verdreifacht.
Hier setzt die Kampagne «Psyche krank? Kein Tabu!» der Werner Alfred Selo Stiftung an. Im Fokus steht ganz die Jugend. Botschafterin ist die ehemalige Kunstturnerin Ariella Kaeslin, die während ihrer Sportkarriere selber eine Erschöpfungsdepression erlitt. Sie plädiert dafür, die Mauer des Schweigens zu durchbrechen und das Versteckspiel zu beenden. «Ich wollte mir und den anderen beweisen, dass immer noch mehr geht, bis eines Tages gar nichts mehr ging.» Zu lange habe sie aus Scham geschwiegen. «Erst als ich mein Schweigen brach, gaben auch viele andere zu, dass es ihnen genauso ging und sie enorm dankbar waren, dass es endlich jemand offen aussprach.»
Menschen mit psychischen Belastungen leiden oft doppelt. An ihrer Krankheit und am krankhaften Versteckspiel. Besonders schwierig ist der Umgang am Arbeitsplatz. Zu gross sind Scham und Angst vor einem Karriereknick oder Stellenverlust. Immer häufiger erkranken bereits Jugend liche in der Phase des Berufseinstiegs. Von allen Seiten stehen sie unter grossem Druck. Im Job, zu Hause, im Kollegenkreis. Doch die meisten verschweigen ihre Probleme, um nicht das Gesicht und den Job oder die Lehrstelle zu verlieren. Das kann zu Krisen, psychischen Erkrankungen und Suizidalität führen. Jedes Jahr unternehmen in der Schweiz rund 10 000 Jugendliche einen Suizidversuch. 100 begehen pro Jahr tatsächlich Suizid.
«Um solche Tragödien zu verhindern, muss man über Depressionen, Ängste oder Schizophrenie genauso selbstverständlich reden wie über Beinbrüche, aber psychische Krankheiten werden stark stigmatisiert», sagt Marylou Selo, Präsidentin der Werner Alfred Selo Stiftung. «Damit die Früherkennung besser gelingt und junge Menschen von Beginn weg einen natürlichen Umgang mit psychischen Themen lernen, möchten wir das Tabu brechen, besonders am Arbeitsplatz, wo viele Leute die meiste Zeit verbringen. Viele fühlen sich wie ihr Handy: Agenda voll, Akku leer – aber keiner sagt etwas, um nicht als schwach zu gelten.»
Eine neue Offenheit im Umgang mit Krisen und psychischen Leiden möchte die Kampagne auch durch Alltagsgegenstände anstossen. Mit kreativen Slogans nennen sie die Probleme beim Namen. Die Kampagne bietet praxisnahe Hilfen für Arbeitgeber, Ausbildungsstätten und die Jugendlichen selber. Neben Checklisten und Leitfäden machen Comic-Clips, Handy-Akkus und gesunde Energy-Drinks das Thema leicht verständlich. Gesamthaft stehen über 20 Kampagnen-Artikel wie Post-its, Schlüsselbänder, Flyer, Plakate etc. zur Verfügung – auch für Erwachsene und Firmen. Die Migros setzt die Kampagne bereits ein.
Mehr Informationen gibt es unter
www.kein-tabu.ch
www.selofoundation.ch