Einer von fünf Patienten ist mit seiner Knie-Totalprothese unzufrieden. Bei jüngeren Patienten ist dies sogar bei jedem Dritten der Fall. Das hat verschiedene Gründe. «Die Prothese, die wir einbauen, ist trotz allen Fortschritten nur eine Kopie von dem, was wir uns 50, 60 oder 70 Jahre als unser eigenes Kniegelenk gewohnt waren», sagt Prof. Dr. med. Markus P. Arnold, Facharzt Orthopädische Chirurgie und Traumatologie des Bewegungsapparates. «Jedes Knie hat seine Gelenklinie, sein eigenes Niveau, seine Ebene, auf der sich die verschiedenen Bewegungen abspielen. Die knöchernen Teile des Gelenks und die Bandansätze sind gemeinsam zu einem individuellen Design gewachsen. Mit einer Standardprothese versucht man, dieses ideale Design durch eine andere Form zu ersetzen. In sehr vielen Fällen funktioniert das ganz gut, in anderen nicht.»
Beim Ersatz des Kniegelenks stehen dem Operateur eine Reihe von standardmässigen Konfektionsgrössen zur Verfügung. Das zwingt ihn zu zahlreichen Kompromissen, was die Beweglichkeit und die Stabilität anbelangt, sodass schliesslich das Knie an die Prothese angepasst wird – und nicht umgekehrt. Kommt dazu, dass es bei Standardprothesen in der Regel nur die radikale Wahl zwischen einer Totalprothese und einer einzelnen Teilprothese gibt. Prof. Arnold: «Dabei ist in rund drei Vierteln aller Fälle nicht das ganze Knie wegen der Arthrose beschädigt. Das Knie hat drei Bereiche: Innenseite, Aussenseite und der Teil, der zwischen Kniescheibe und Oberschenkel den Gelenkteil bildet. Bei Standardprothesen kann entweder ein einzelner Teil oder aber gleich das ganze Gelenk ersetzt werden. Oft sind aber zwei Kompartimente betroffen. Dies kann man konfektionsmässig nicht zuverlässig passend herstellen, da vor allem die Anatomie, die Verbindung von einem Teil zum anderen individuell verschie-den ist. Solche Patienten erhielten bis anhin in der Regel eine Totalprothese.»
Seit Neustem gibt es massgeschneiderte Knieprothesen aus dem 3-D-Drucker. Damit ist es nun zum ersten Mal möglich, die Prothese der Anatomie des jeweiligen Gelenks anzupassen. Nur ersetzen, was tatsächlich arthrotisch verändert ist, sodass die gewohnte Kinematik erhalten bleibt, lautet der Grundsatz. Die neuen Prothesen werden basierend auf den Daten der Computertomografie über eine virtuelle 3-D-Rekonstruktion im 3-D-Druckverfahren hergestellt. Für Prof. Arnold sind die neuen Prothesen eine echte Revolution: «Damit gelingt es sogar, mehrere Teilprothesen miteinander zu verbinden, also zum Beispiel zwei Drittel des Knies zu ersetzen. Dabei bleiben die Bänder unangetastet. Das bedeutet, dass die Kinematik, die Bewe-gungsform, so bleibt, wie man es sich gewohnt ist. Das Gelenk ist einfach wie mit einer Krone neu mit Metall beschichtet.»
Ideal sind die massgeschneiderten Prothesen aus dem 3-D-Drucker für jüngere und aktive Arthrosepatienten, da deutlich weniger Knochen entfernt wird als bei Standardprothesen. «So hat der Patient noch genug Knochen übrig, falls in 10 bis 20 Jahren nochmals etwas gemacht werden muss, wenn altersbedingt eine Arthrose hinzukommt, sich die Prothese lockert oder Abriebpartikel eine Entzündung des Knochens verursachen. So kann man sich zukünftige Behandlungsoptionen besser offenhalten und später noch eine Standardprothese einsetzen», erklärt der Orthopäde.
Da diese Technologie noch jung ist, liegen naturgemäss noch wenig Langzeitresultate vor. Prof. Arnold: «Was man aber sieht, ist, dass sich das Knie sehr schnell wieder natürlich anfühlt, mit weniger Fremdkörpergefühl. Man denkt gar nicht mehr daran, dass da eine Prothese im Knie ist. Nach etwa vier Monaten sehe ich den grossen Unterschied. Bis vor Kurzem musste man den Knieprothesenpatienten sagen: «Warten Sie ein Jahr, dann werden Sie zufrieden sein.» Mit neueren Standardprothesen ist etwa die Hälfte der Patienten bereits nach vier Monaten ziemlich zufrieden, hat aber das Knie noch nicht ganz vergessen. Bei den massgefertigten Prothesen sagen mir eigentlich alle Patienten bereits nach vier Monaten, dass es sich sehr gut anfühlt. Und die Jahreskontrolle ist nur noch eine Formalität.»
Die Vorteile des neuen Verfahrens sind eklatant. Sie reichen von der exakten Passgenauigkeit bis zum weitgehenden Knochenerhalt, der sich positiv auf die Genesung auswirkt. Die Rehabilitationszeiten fallen geringer aus. Und das künstliche Gelenk wird oft nicht mehr als Fremdkörper wahrgenommen. Patienten, bei denen man bisher gezwungen war, eine Totalprothese einzusetzen und dabei einen nicht erkrankten Bereich des Gelenks zu opfern, können jetzt nach Mass versorgt werden. Sie haben nach der Operation weitgehend normale Bewegungsabläufe, anders als dies mit einer Konfektionsprothese der Fall war. Bei jüngeren Patienten lassen sich kleinere Defekte anatomisch präzis neu beschichten. Für Prof. Arnold, der die neue Prothesentechnik seit 2015 anwendet und von vielsprechenden Resultaten spricht, steht fest, dass dies der Weg in die Zukunft ist.