Als Darmträgheit oder Hartleibigkeit wird das bezeichnet, worunter 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung leiden: chronische Verstopfung. Die Symptome sind oft nicht so klar, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Nur ein Viertel der Betroffenen gibt an, weniger als dreimal pro Woche stuhlen zu können. Weit häufiger werden als wichtigste Beschwerden Völlegefühl oder heftiges Pressen genannt.
Mindestens einmal sollte sich jeder Patient mit chronischer Verstopfung vom Arzt untersuchen lassen, um organische Ursachen ausschliessen zu können. In der Regel ist sie aber harmlos, vermindert jedoch die Lebensqualität zum Teil enorm. Entscheidend ist, dass der Arzt gezielt nach allen Symptomen einer Verstopfung fragt, da sie der Patient meistens nicht von sich aus schildert. Die Diagnostik sollte ohne begründeten Verdacht auf eine organische Ursache sehr zurückhaltend bleiben. In jedem Fall gehört eine Untersuchung mit dem Finger dazu. Eine Darmspiegelung ist nur dann sinnvoll, wenn Verdachtsmomente auf ein organisches Geschehen bestehen oder wenn sie ohnehin zur Früherkennung von Darmkrebs ansteht. Dasselbe gilt für Laboruntersuchungen.
Wichtig ist ein aufklärendes Gespräch mit dem Patienten. So sollte er wissen, dass es keine minimal erforderliche Stuhlhäufigkeit gibt. Zudem kann man sich nicht selber «vergiften», wie das manche befürchten. Auch mit vielen anderen Vorurteilen und Irrtümern muss man aufräumen, zumal sie bis heute in vielen Lehrbüchern herumgeistern. Besonders die sogenannten «Basisempfehlungen» zur Bewegung und Ernährung sind in den allermeisten Fällen nutzlos. So hat sich gezeigt, dass Menschen, die an Verstopfung leiden, im Schnitt gar nicht weniger körperlich aktiv sind als Menschen mit einer normalen Darmtätigkeit. Der Ratschlag, sich mehr zu bewegen, nützt also höchstens dem Herz und dem Stoffwechsel.
Auch Empfehlungen, mehr Ballaststoffe zu essen, sind gewöhnlich wenig hilfreich. So zeigt eine grosse Diätanalyse zwischen Obstipierten und Nichtverstopften keinen Unterschied bezüglich des Konsums von Nahrungsfasern. Ballaststoffe wie Weizenkleie führen zwar zu einer schnelleren Darmpassage und erhöhen das Stuhlgewicht, jedoch haben Menschen, die unter Verstopfung leiden, ein vermindertes Stuhlgewicht und längere Passagezeiten, ob sie nun viel Ballaststoffe essen oder nicht.
Der Bedarf an wirksamen Behandlungen ist also gross. Entsprechend breit ist das Angebot an frei verkäuflichen Abführmitteln. Doch auch hier geistern bis heute Schauermärchen durch die einschlägigen Gesundheitshefte und sogar durch hochoffizielle Fachzeitschriften. Dabei sind sich die führenden Experten einig: Die verfügbaren Mittel, ob synthetisch oder pflanzlich, sind sicher. Sogar gegen einen langfristigen Einsatz ist nichts einzuwenden. Die Angst vor einer Gewöhnung ist unbegründet. Sie ist durch keinerlei wissenschaftliche Daten untermauert.
Seit Kurzem stehen zur Behandlung der chronischen Obstipation Wirkstoffe aus der Gruppe der Chloridkanal-Aktivatoren zur Verfügung, welche die Flüssigkeitssekretion in den Zellen der Dünn- und Dickdarmschleimhaut erhöhen und den Stuhl weicher machen. Ein täglicher oder fast täglicher Stuhlgang wird dadurch wieder möglich. Die Anstrengungen beim Stuhlen werden verringert und die Beschaffenheit des Stuhls wechselt von hart auf normal.
Die Wirksamkeit der neuen rezeptpflichtigen Mittel wurde in grossen klinischen Studien bestätigt. Zu ihrem Anwendungsgebiet zählen auch eine durch opiathaltige Schmerzmittel ausgelöste Verstopfung sowie das Reizdarmsyndrom. Die beste Idee für Betroffene lautet demnach: Nicht mehr länger Zeit mit unnützem Pressen verschwenden, sondern mit dem Arzt das Problem ganz offen besprechen.