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Ein Fall für Stutz

Erektile Dysfunktion: Sex kann auch ohne Penetration erfüllend sein

Organische und psychische Ursachen gibt es viele, wenn es mit der Sexualität nicht mehr klappt. Wichtig ist, sich nicht auf das Problem zu fixieren, sonst läuft bald gar nichts mehr. Mit den heutigen Therapiemöglichkeiten gibt es Lösungen: Betroffene Männer müssen sie nur in Anspruch nehmen.

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Flaute im Bett? Dr. Samuel Stutz weiss Rat.

Getty Images

«Wir sind 45 Jahre verheiratet und haben einander gäng no schüli gärn. Bis vor ein paar Jahren arbeiteten wir auf unserem stotzigen Bergheimetli. Da war unser Intimleben noch ganz gut. Seit etwa einem Jahr klappt es mit dem Sex leider nicht mehr», heisst es in einem handgeschriebenen Brief. «Vor ein paar Jahren erlitt ich einen Leistenbruch. Der Arzt setzte mir ein Netz ein, das aber in die Leiste abgerutscht ist und dadurch Schmerzen verursacht», schreibt der Mann.

Seit einem halben Jahr bleibt mein Glied schlaff. Das beschäftigt mich

«Langsam ging auch die Sexualität zurück. Seit einem halben Jahr bleibt mein Glied schlaff, und ich kann nicht mehr in meine Frau eindringen. Das beschäftigt mich oft. Mein Hausarzt sagte, das sei das Alter. Ich zweifle aber daran und überlege mir, den Arzt zu wechseln. Ich stelle mir auch die Frage, ob ich mit einem Hilfsmittel meine Frau zum Orgasmus bringen könnte. Was würden Sie mir raten?» Seine Frau kommt mit der Situation besser zurecht. «Einen Vorwurf habe ich meinem Mann nie gemacht und würde es auch nie machen. Er macht bei mir auch nie eine Bemerkung wegen meinem Übergewicht.»

DAS SAGT DR. SAMUEL STUTZ
Mehr als 400'000 Männer in der Schweiz haben ernsthafte Probleme mit der Erektion, vorwiegend in der zweiten Lebenshälfte. Die wenigsten sprechen darüber und tun etwas. Vier von fünf Betroffenen gehen nicht einmal zum Arzt. Und wenn sie es tun, ist die Gefahr gross, dass sie zwar ein Rezept bekommen, sich aber mit ihren Problemen alleine fühlen und nicht wissen, wie man das Medikament richtig anwendet. Scheitert dann der erste oder zweite Behandlungsversuch, ist die Sexualität endgültig vom Tisch.

Das männliche Glied ist ein sensibles Organ. Für eine erektile Dysfunktion gibt es organische und psychische Ursachen. Die häufigste organische Störung ist die Arteriosklerose. Sie befällt nicht nur die Blutgefässe, die lebenswichtige Organe wie Herz und Hirn mit Blut versorgen, sondern auch jene, die für das beste Stück des Mannes zuständig sind. Weil der Penis so sensibel und vor allem so früh auf Störungen der Blutversorgung reagiert, machen sich die ersten Symptome im Bett bemerkbar, bevor es zu Herzbeschwerden oder gar Einschränkungen der Hirndurchblutung kommt.

Erektionsprobleme sind ein frühes Warnzeichen für andere ernsthafte Erkrankungen. 15 bis 20 Prozent der Männer mit Erektionsproblemen haben eine klinisch relevante Herzkrankheit. Männer mit Potenzproblemen sollten daher auf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren abgeklärt werden, also auf Bluthochdruck, erhöhtes Cholesterin, Übergewicht, Bewegungsarmut und Diabetes. Umgekehrt leiden Diabetiker und Menschen mit hohem Blutdruck häufig an erektiler Dysfunktion, dass der Arzt von sich aus danach fragen sollte.

Viele Medikamente und übermässiger Alkoholkonsum beeinträchtigen die Erektions-ähigkeit. Weitere körperliche Gründe sind Schlafapnoe mit Müdigkeit am Tag, multiple Sklerose, Parkinson und Operationen im Beckenbereich, wie in unserem Fall. Damit eine Erektion zustande kommt, muss es auch psychisch stimmen. Es sind nicht nur ernsthafte Erkrankungen wie Depressionen, die den sensiblen Vorgang stören, sondern jede Form von Stress, Angst, Müdigkeit oder partnerschaftliche Konflikte.

Heutige Therapiemöglichkeiten können fast allen Männern helfen. Die Behandlung mit Medikamenten ist bedenkenlos und schadet dem Herz nicht, ausser jemand ist schwer herzkrank. Bei allen Tabletten braucht es sexuelle Stimulation, entweder optisch, akustisch oder taktil. Das optimale Behandlungsresultat erreicht man erst nach zehn bis zwanzig Einnahmen mit einer genügend hohen Dosierung. Erst dann lässt sich der Therapieerfolg beurteilen. Erektionsfördernde Medikamente muss man ausprobieren und sich dabei Zeit lassen, bis sie wirken können. Auch wenn der Effekt bei einigen Medikamenten schon nach zehn Minuten eintritt, dauert es rund eine halbe Stunde, bis sich die volle Wirkung entfaltet. Wenn es mit einer niedrigen Anfangsdosis nicht klappt, soll und darf man höher dosieren.

Unserem Paar – das hat das Gespräch ergeben – sind die Medikamente allesamt zu teuer. Deshalb auch die Frage nach einem geeigneten Hilfsmittel. Die Offenheit, mit der die beiden über das Thema sprechen, ist schon die halbe Lösung. Beeindruckend sind auch die Gelassenheit und das Verständnis der Frau gegenüber ihrem Mann. Der Hausarzt jedoch macht das, was viele Ärzte in solchen Fällen tun: Sie nehmen ihre Patienten nicht ernst genug und unterlassen ein Gespräch. Hier gibt es keine andere Lösung, als den Arzt zu wechseln. Denkbar ist auch eine Konsultation bei einem Urologen, da es auch noch andere Therapiemöglichkeiten gibt als nur Medikamente.

Ich riet den beiden, sie sollen sich viel Zeit für ein zärtliches Vorspiel nehmen und dann einen Helfer in Form eines Massagegerätes einsetzen, und zwar so, wie wenn es die natürlichste Sache der Welt wäre. Ein paar Wochen später erkundigte ich mich erneut nach dem Liebesleben des Pärchens und war selbst überrascht, wie bei den beiden nun die Post abgeht. «Mit dem Vibrator kommt meine Frau, wie sie es noch nie zuvor erlebt hat. Sie schwärmt richtig davon», erzählt der Mann. «Danach tauschen wir die Rollen. Und dann erlebe sogar ich einen wunderschönen Orgasmus, obwohl bei mir nichts mehr steht. Ich hätte nie gedacht, dass das möglich ist. Unglaublich, was wir jetzt zusammen erleben!»

Dr. Samuel Stutz analysiert Schicksale, die unter die Haut gehen.

Dr. Samuel Stutz analysiert Schicksale, die unter die Haut gehen.

ZVG

Sind Sie auch ein scheinbar unlösbarer Fall? Schreiben Sie an sprechstunde@doktorstutz.ch.

Von Dr. Samuel Stutz am 26. März 2014 - 14:40 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 17:33 Uhr