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Check-up: Burnout

Wenn Stress krank macht!

Alle sprechen davon, selber betroffen ist niemand. Fakt ist: Immer mehr Menschen leiden unter schwerer Erschöpfung.

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Im Ruheraum der Clinica Holistica 

Chefärztin Doris Straus weiss, wie wichtig Entspannung ist. Das Engadiner Dörfchen Susch bietet dafür die richtige Kulisse.
Dick Vredenbregt
Jede Nacht um drei klingelte Evelins Wecker – Zeit fürs tägliche Fitnesstraining. Zwei Stunden lang strampelte sie im Studio auf dem Hometrainer, stemmte Gewichte. Pünktlich um sieben begann sie mit der Arbeit, blieb bis zehn Uhr abends, kam nach Hause, fiel ins Bett, stellte ihren Wecker für den kommenden Tag. So ging das drei Jahre lang. Bis eines Morgens nichts mehr geht – weder psychisch noch physisch. Die 45-Jährige ist ausgebrannt. Diagnose: Burnout.

Wie viele Menschen in der Schweiz davon betroffen sind, wissen selbst Experten nicht genau. Klar ist, dass die Kosten für Stressfolgeschäden in der Schweiz jährlich 4,2 Milliarden Franken betragen. Und sie werden immer höher. Kein Wunder: Seit 1960 ist die Produktivität pro Arbeitsstunde in der Schweiz um 255 Prozent gestiegen. Der Druck auf den Einzelnen nimmt stets zu. Wir müssen immer und überall erreichbar sein, Privates und Arbeit vermischen sich – für viele eine grosse Belastung. Manchmal eben eine zu grosse.

«Auch wenn alle davon reden: Selber darf man auf keinen Fall ein Burnout haben», sagt Doris Straus, Chefärztin der Clinica Holistica. Seit Oktober leitet sie die neue Klinik im Engadiner Dörfchen Susch. Es ist die erste Einrichtung in der Schweiz, die sich auf Stressfolgeerkrankungen spezialisiert hat. Bereits werden erste Patienten behandelt. «Bis anhin mussten diese Leute in eine psychiatrische Klinik, wo es zwar auch gute Therapien gibt, die Hemmschwelle aber enorm hoch ist», erklärt die Ärztin.

Die meisten ihrer Patienten durchlaufen die typischen drei Phasen einer Burnout-Krankheit:

1. Erschöpfung
Körperliche und psychische Schwäche, die anhaltend ist und von der sich die Betroffenen nicht erholen. Die Kreativität lässt nach, und Konzentrationsstörungen folgen.

2. Entfremdung
Die Einstellung gegenüber der Arbeit verändert sich negativ. Man muss sich zum Arbeiten zwingen und ist nicht mehr motiviert.

3. Ineffektivität
Die Leistungsfähigkeit sinkt. Das kann so weit gehen, dass man Namen vergisst und unfähig wird, sich zu entscheiden. Diese Symptome werden von körperlichen Beschwerden, häufig auch schweren Schlafstörungen begleitet.

Die Ursache für ein Burnout: Chronischer Stress. Dieser führt zu Störungen der hormonellen Regulation, des Stoffwechsels und der Immunabwehr. «Deshalb gehören entsprechende medizinischen Tests zur Routineuntersuchung», erklärt Dr. Straus.

Zwei wichtige Faktoren sind für chronischen Stress verantwortlich: bestimmte Persönlichkeitsfaktoren und das Umfeld. Nicht alle Menschen reagieren gleich auf Druck. So gibt es Verhaltensmuster, die ein Burnout begünstigen. Perfektionisten und Menschen, die alles kontrollieren wollen, sind gefährdeter. Dazu kommen die äusseren Umstände, wie die Art der Mitbestimmung und der Abhängigkeit. Arbeitnehmer können ein höheres Risiko als Kaderleute haben, weil sie weniger mitbestimmen und die Arbeitskultur nicht beeinflussen können. Führungskräfte hingegen sind durch hohe Verantwortung und Arbeitsbelastung gefährdet.

Aufgrund des gestörten Hormonhaushaltes verändert sich die gesamte Gesundheit: Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes, Verdauungsstörungen und Allergien treten auf. Burnout kann sogar tödlich enden. Nicht nur aufgrund körperlicher Beschwerden, sondern auch wegen der erhöhten Suizidgefahr – die Grenze zur Depression ist fliessend.

In der Clinica Holistica versucht man mit gezielten Massnahmen dagegen anzugehen. Der Fokus der Therapien liegt darin, die Ursachen anzugehen. Nach einer körperlichen und psychischen Untersuchung wird für jeden Patienten ein individuelles Konzept zusammengestellt: Psychotherapie, bei Bedarf Medikamente, Sport, Kreativtherapien, Ernährung und Entspannung. Auch die Arbeitssituation wird analysiert und das persönliche Umfeld mit einbezogen.

Wie lange die Therapie dauert, ist unterschiedlich. «Wenn jemand seit Monaten nicht mehr richtig schlafen konnte, braucht er allein dafür drei bis vier Wochen. In der Regel dauert die Behandlung drei bis sechs Wochen.» Für Patienten, die auf keinen Fall eine längere Auszeit nehmen wollen, bietet die Klinik auch eine Intervall-Lösung an. Dabei werden stationäre Kurzaufenthalte durch ambulante Begleitung ergänzt. So sehen die Ärzte auch gleich, ob der Patient das Gelernte umsetzen konnte.

Besonders wichtig ist es Doris Straus, früh genug handeln zu können. So bietet die Klinik Präventiv-Therapien an. Dabei gibt ein ausführlicher Checkup Auskunft über die momentane Stressbelastung, und man lernt, was man ändern und wie man seinen Alltag entspannter gestalten kann. Dafür ist es nie zu früh.

Check: Das sollten sie wissen!

Erste Anzeichen: Betroffene engagieren sich bei der Arbeit über alle Massen und spüren eine Anspannung, Nervosität oder Erschöpfung. Später folgt der typische Burnout-Verlauf.

Tipps: Vermeiden Sie chronischen Stress, geben Sie Arbeit ab, nehmen Sie sich Freizeit.

Von Lisa Merz am 30. November 2010 - 10:58 Uhr, aktualisiert 20. Januar 2019 - 20:06 Uhr