Raucher und Raucherinnen sollten jetzt nicht wegschauen, sondern weiterlesen: 80 Prozent aller Patienten mit Lungenkrebs sind oder waren Raucher. Rauchen ist der wichtigste Risikofaktor für Lungenkrebs. Die Häufigkeit von Lungenkrebs hat aber auch bei Nichtrauchern zugenommen. In den USA ist er bereits die sechsthäufigste Krebstodesursache.
In der Schweiz erkranken pro Jahr neu rund 2500 Männer und 1100 Frauen an Lungenkrebs. Knapp 2900 sterben daran. Nach dem Prostatakarzinom steht der Lungenkrebs bei Männern an zweiter Stelle aller Krebserkrankungen. Allerdings sinkt die Rate allmählich, dafür steigt sie bei den Frauen an. Der Grund liegt auf der Hand: Immer mehr Mädchen und Frauen rauchen.
Häufig erfolgt die Entdeckung eines Lungenkarzinoms laut Prof. Rolf A. Stahel, Leitender Arzt in der Klinik für Onkologie und Leiter des Zentrums für Lungen- und Thoraxonkologie am Universitätsspital Zürich, in einem fortgeschrittenen Stadium. «Der Tumor wird oft erst entdeckt, wenn sich bereits Beschwerden von Metastasen bemerkbar machen, also zu spät für eine Heilung. In einem frühen Stadium verspürt der Patient meist keine Symptome.»
Wie schnell und wie aggressiv sich ein Tumor ausbreitet, hängt von der Art ab. Fachärzte unterscheiden heute zwischen einem nichtkleinzelligen und kleinzelligen Lungenkarzinom. Und ersteres unterteilt sich in Untergruppen. Gemischte Tumore sind eher selten und gutartige Wucherungen leider auch. Dem bösartigen Lungentumor liegt nicht wie beim Brust- oder Prostatakrebs eine starke genetische Komponente zugrunde. «Deshalb gibt es auch keine Häufung von Lungenkrebs im familiären Umkreis», gibt Prof. Stahel zu bedenken.
Die verschiedenen Tumorarten der Lunge verlangen verschiedene Therapien. «Die Forschung ist diesbezüglich im Fluss. Wir finden immer mehr Untergruppen. Heute zeigt uns ein molekularer Test, zu welcher Gruppe das betreffende Karzinom gehört», erklärt Prof. Stahel. Wird zum Beispiel die Diagnose Nichtkleinzeller gestellt, unterteilt der Pathologe den Tumor in Plattenepithel- oder Adenokarzinom oder grosszellige Tumore. Beim Adenokarzinom muss der Spezialist wissen, ob eine Mutation in einem bestimmten Rezeptor vorliegt. Ist das nicht der Fall, kommt der nächste Schritt: Ist ein spezielles Protein vorhanden? Die Therapie richtet sich dann gezielt auf den ermittelten Tumor. «Beim Adenokarzinom kann ein Patient die grössten Hoffnungen auf eine Besserung haben. Bei diesem Tumor sind am meisten Fortschritte erzielt worden», sagt Prof. Stahel.
Bei der Therapie hat sich in den vergangenen Jahren einiges verändert. Früher erstellte ein Pneumologe die Diagnose und überwies den Patienten an den Chirurgen. Häufig bildeten sich nach dem Eingriff wieder neue Tumore. Dann wurde bestrahlt, und wenn auch das nichts half, schickte man den Patienten zur Chemotherapie. Heute ist eines klar: «Ein Patient mit Lungenkrebs benötigt viele Fachärzte, die sich in einer Expertenrunde besprechen. Es wird abgesprochen, welche zusätzlichen Untersuchungen nötig sind, und am Schluss gibt es eine Empfehlung für die Therapie des Patienten», sagt Prof. Stahel. Im Allgemeinen findet eine Operation mit anschliessender Chemotherapie statt. Oder je nach Grösse des Tumors zuerst eine Chemotherapie und dann die Operation. Möglich ist auch eine Chemotherapie mit gleichzeitiger Bestrahlung.
Im fortgeschrittenen Stadium besteht die Möglichkeit einer Therapie mit Medikamenten, die das Überleben um bis zu drei Jahren verlängern. Das eine ist ein Antikörper, der die Bildung und Aufrechterhaltung von Blutgefässen blockiert. Dadurch kann der Tumor nicht weiterwachsen. Ein anderes hemmt den Wachstums-Faktor-Rezeptor EGFR, das heisst, die Krebssignale dieses Proteins werden blockiert. «Ein weiteres Medikament steht vor der Zulassung. Es ist vor allem für Patienten mit einem Adenokarzinom und einer Veränderung des sogenannten ALK-Fusionsgens gedacht. Klinische Studien zeigen, dass der Tumor sich durch das Mittel verkleinert», erklärt Prof. Stahel.
Mit wie viel Lunge kann man denn überhaupt weiterleben? «Würde man die ganze rechte Lunge, die übrigens grösser ist als die linke, entfernen, könnte der Patient trotzdem weiterleben. Es kommt darauf an, wie der Zustand der verbleibenden Lunge ist. Ist der okay, könnte sogar von der gesunden Lunge noch ein Stück entfernt werden», sagt der Facharzt.
Ein Faktor für das Überleben ist klar: Die Chancen, nach einer Operation oder Bestrahlung einen Rückfall bei einem durch Rauchen verursachten Tumor zu vermeiden, verbessern sich mit einem kompletten Rauchstopp.
Die Zahlen:
Neuerkrankungen pro Jahr: 3600
Todesfälle pro Jahr: 2900
Anteil an allen Krebs-Neuerkrankungen pro Jahr: 10,4 %
Check:
Infos und Hilfe bei Lungenkrebs
Was ist Lungenkrebs:
Das Karzinom geht von den Zellen der Schleimhaut der Bronchien oder der Lungenbläschen aus.
Symptome:
- Im Frühstadium meist kaum Symptome. Folgende Beschwerden können auf einen möglichen Lungenkrebs hinweisen:
- Hartnäckiger Husten, der länger als vier Wochen anhält, oder chronischer Raucherhusten, der sich plötzlich verändert.
- Blutiger Auswurf beim Husten, Atemnot.
- Schmerzen im Brustbereich, Gewichtsverlust.
Hilfe:
Krebstelefon 0800 11 88 11
Helpline helpline@ krebsliga.ch, www.krebsliga.ch
Der Experte rät:
1 Prävention
Das Risiko, an Lungenkrebs zu erkranken, steht in direktem Zusammenhang mit dem Zigarettenkonsum. Je mehr Zigaretten pro Tag und je länger man raucht, desto höher steigt das Krebsrisiko. Eher seltene Ursache für ein Lungenkarzinom sind krebserregende Stoffe wie Feinstaub, Asbest, Chrom-, Nickel- und Arsenverbindungen.
2 Diagnose
Häufig ist die Diagnose ein Zufall. Auf dem Röntgenbild erscheint der Tumor als weisser Fleck. Um die Diagnose zu sichern, wird anschliessend eine Lungenspiegelung mit gleichzeitiger Entnahme von Gewebeproben durchgeführt.
3 Metastasen
Da Lungenkrebs häufig im fortgeschrittenen Stadium entdeckt wird, muss nach möglichen Metastasen gesucht werden. Das kann durch verschiedene Methoden erfolgen. Ein Lungenkarzinom streut vor allem in Nebennieren, Knochen und Hirn.
4 Therapie
Ein Patient mit Lungentumor benötigt viele Fachärzte. Falls es das Tumorstadium erlaubt, wird eine Operation empfohlen, häufig mit anschliessender Chemotherapie. Bei fortgeschrittenem Lungenkrebs werden auch Medikamente eingesetzt, die die Überlebenschancen erhöhen.
5 Nachkontrolle
Prof. Rolf A. Stahel, Leitender Arzt in der Klinik für Onkologie und Leiter des Zentrums für Lungen- und Thoraxonkologie am Universitätsspital Zürich.
Die meisten Patienten entscheiden sich nach einer Operation für eine anschliessende Chemotherapie, obwohl die Chancen um nur fünf bis zehn Prozent erhöht sind, nicht wieder einen Rückfall zu erleiden. Zweimal pro Jahr muss der Patient zur Nachkontrolle.