Wenn Graziella Rossi, 54, auf der Bühne steht, vibriert die Luft. Die sonst zierlich wirkende Schauspielerin markiert Präsenz. Gern schlüpft sie in die Rolle spannender Frauen. Das Schicksal der Opernsängerin Maria Callas interessiert sie genauso wie das Leben der russisch-jüdischen Psychoanalytikerin Sabina Spielrein. Oder jenes der Medea, ein Stück, das die schweizerisch- italienische Doppelbürgerin gerade in New York in englischer Sprache spielt: «Da ich zweisprachig aufgewachsen bin, kann ich mühelos auch ins Französische oder Englische switchen. Dies öffnet mir weltweit ungeahnte Möglichkeiten.» Mit «Rose» wird Graziella Rossi in wenigen Tagen Premiere feiern. Das Stück des Amerikaners Martin Sherman erzählt die Lebensgeschichte einer Jüdin. Während Rose Shiv’a sitzt – ein jüdisches Trauerritual – tauchen Erinnerungen auf. So auch zu brandaktuellen Themen, etwa der Migration.
«Rose» ist ein Monolog, der der Schauspielerin viel abverlangt. Ist der Stoff einmal in Kopf und Bauch, geht Graziella Rossi damit Velo fahren. Oder schwimmen. Auch putzen sei günstig. «Es gibt einen Punkt, wo mich der Text begleitet.» Den Weg ins Theater legt sie zu Fuss zurück, um das ganze Stück zu repetieren. Bleibt noch Zeit, hüllt sie sich vor der Vorstellung für einen Power-Nap in die Mäntel der Künstlergarderobe. Geschminkt und kostümiert. Bereits im Gymnasium wollte Graziella Rossi zum Theater. Parallel zu ihrer Ausbildung als Lehrerin (Eltern wollen Sicherheit für ihre Kinder!) besuchte sie die Schauspielakademie in Zürich und später in Prag. Seit 1983 steht die charismatische Künstlerin im In- und Ausland auf der Bühne. Zu ihrem Repertoire gehören Sprechstücke, viele musikalische Abende – die sie oft mit ihrem Lebenspartner, dem gebürtigen Wiener Helmut Vogel, bestreitet –, Lesungen, Hörspiele und Filme. In «Lüthi & Blanc» hatte sie während acht Jahren die Rolle der Hausdame Abusinda inne.
Momentan ist Graziella Rossi in mehreren Stücken zu sehen. Etwa in Franz Hohlers «Call Center», in Urs Widmers «Kellner Lear», F. Templetons «Medea» oder Terrence McNallys «Meisterklasse – Maria Callas». «Ich bin diszipliniert. Tage vor der Aufführung gehe ich täglich meinen Text durch. Ich muss das Gefühl haben, auf der Bühne fliegen zu können.» Wie viele Stücke sie gespielt hat, weiss Graziella Rossi nicht. Ihre Lieblingsrolle sei meistens die aktuelle. «Nach Maria Callas hoffe ich nun auf Rose.»
THEATER RIGIBLICK Zürich, Premiere 11. 1., bis 31. 5.,
Abendkasse Tel. 044 - 361 83 38, www.theater-rigiblick.ch.
Weitere Aufführungen unter www.graziellarossi.ch