Ein Cop könnte er sein, dieser ernsthafte Typ mit Hut. Einer wie Detective Mike Stone alias Carl Malden in der legendären 70er-Krimiserie «Die Strassen von San Francisco». Mit Verbrechern hatte Edward Hopper (1882–1967) nichts zu schaffen. Doch der Maler, der sich hier selbst porträtierte, hatte viel detektivisches Gespür für die Abgründe der menschlichen Seele. Mit seinen Werken leuchtete der berühmte Maler direkt ins Herz der amerikanischen Gesellschaft der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein. Zwei Menschen auf der Terrasse, mit versunkenem Blick in die Ferne schauend. Leergefegte Strassenzüge im Morgenlicht. Eine junge Frau in einem Restaurant, vor sich eine winzige Kaffeetasse, draussen schwarze Nacht. Ein Haus auf einem verlassenen Hügel. Ein Segelboot im endlosen Meer, eine Tankstelle mitten im Nirgendwo – das ist die Bilderwelt des Edward Hopper. Schnappschüsse des unspektakulären amerikanischen Alltags. Ideale Theaterkulissen. Und ein schier unerschöpflicher Fundus für Geschichten, die nur darauf warten, in diesen Bildern ihren Anfang zu nehmen. Nicht von ungefähr liessen sich verschiedene Künstler von Hoppers Werk inspirieren. So Hitchcock für die Szenerie in «Psycho» durch «House by the Railroad» (1925).
Edward Hopper macht die zahlreichen Facetten der Einsamkeit des modernen Menschen mittels Sujet, Licht und Farben sichtbar. Die Figuren auf seinen Bildern wirken wie Marionetten, die sich allein durch den Gedanken des Betrachters lenken lassen. Sie scheinen geradezu darauf zu warten, dass jemand ihr Schicksal in die Hände nimmt.
Der 1882 im Staate New York geborene Hopper studierte erst Illustration, später wechselte er an die New York School of Arts. 1906 ging er, wie viele Künstler zu dieser Zeit, nach Paris. Nach einem Jahr und weiteren Reisen durch Europa kehrte er in die USA zurück und verschrieb sich ganz dem Realismus. Und nach 1924 widmete er sich ausschliesslich amerikanischen Sujets.
Grossstadtszenen, Porträts und Landschaften stehen im Zentrum der grossangelegten Retrospektive in Lausanne. 160 gezeigte Werke, angereichert durch eindrückliche Zeichnungen, Grafiken und Aquarelle, verdeutlichen, warum Hopper als Hauptvertreter des amerikanischen Realismus die experimentelle, abstrakte Malerei ausdrücklich ablehnte.
Übrigens: Selbst Hopper und seine Frau gerieten beim Betrachten der fertigen Gemälde oft ins Fabulieren. Was ihnen einfiel, schrieben sie in ein Journal, das in der Schau ausgestellt ist.
FONDATION DE L’HERMITAGE, Lausanne VD
Ausstellung bis 17. Oktober 2010
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag, 10.00 - 18.00 Uhr, Donnerstag 10.00 - 21.00 Uhr
Telefon: 021 320 50 01
Publikation: CHF 59.-