Beide sind fasziniert von nackten Körpern. Beide sind für ihre expressiven, ungeschönt drastischen Darstellungen – oft sind es Selbstporträts – berühmt. Und doch, unterschiedlicher könnten die Werke von Egon Schiele (1890–1918) und Jenny Saville, 44, nicht sein. Der grosse österreichische Expressionist berührt uns mit seinen ausgemergelten, verrenkten Gestalten, die er meist auf kleinformatige Leinwände und Zeichenblätter bannte. Dagegen serviert uns die Britin Jenny Saville ihre überbordenden, üppigen Körperlandschaften in unausweichlicher Direktheit auf riesigen Leinwänden.
Zwischen den zwei Künstlern liegen nicht nur beinahe hundert Jahre, es sind völlig unterschiedliche Welten. Die in ihrer körperlichen Präsenz und Intensität einzigartigen Nacktbilder Schieles waren Anfang des 20. Jahrhunderts eine pure Provokation, die ihm 1912 auch prompt drei Tage Arrest bescherten. So viel grossformatiger und obszöner die Bilder von Jenny Saville auch sind – das würde heute nicht mehr passieren. Gut, die Künstlerin erzeugt durch die Grösse der Werke eine Intimität, die die Besucher erst einmal herausfordert. Doch mit ihren gemalten Collagen, in denen oft mehrere Körper ineinanderverschlungen liegen, schafft die Britin ein anatomisches Kaleidoskop an Körperlichkeit, das fasziniert. An die Unmittelbarkeit von Schieles Meisterwerken reichen sie jedoch nicht heran. Mit dieser sehenswerten Schau präsentiert das Kunsthaus Zürich einen der Grossen der Kunstgeschichte mit einer Auswahl seiner wichtigsten Werke – ein Grossteil stammt aus dem Leopold Museum in Wien. Neben zahlreichen Akt- und Figurenbildern sind auch Stadtansichten und Landschaften zu sehen. Den 35 Gemälden Schieles stehen 16 grossformatige Werke von Jenny Saville gegenüber. Rund 55 Arbeiten auf Papier vermitteln einen Einblick in Schieles zeichnerisches Können.
Kunsthaus Zürich
Bis 25. 1. 2015, Di/Fr–So 10–18, Mi/Do 10–20 Uhr
Tel. 044 253 84 84, Publikation CHF 25.–
30. 11., 11 Uhr, das Zürcher Kammerorchester spielt Schönberg, Webern, Berg
www.kunsthaus.ch