Geometrisch gesehen ist die Ellipse ein Schrägbild eines Kreises. Sprachlich bedeutet das griechische Wort Fehlen, Aussparen, Auslassen. Dem kam Susanna Niederer, 52, auf die Spur, als sie sich beim ständigen Zeichnen von Ellipsen ertappte. Was sie auf die Idee brachte, das Nichts zum Zentrum ihrer Kunst zu machen. Die Künstlerin zeigt auf die weisse Wand in ihrem Atelier in Wallisellen ZH. Da hängen zwei grosse, pulverbeschichtete Ellipsen aus Metall. Das glänzende Teil, das nur wenige Zentimeter breit ist, bildet die Ellipse. Sie umschliesst die Leere, das Nichts. «Man bekommt das Gefühl, man könne durch sie hindurch schreiten und in eine andere Welt gelangen.» Vielleicht wie bei «Alice im Wunderland», mit dem Unterschied, dass dort ein Hasenbau war, durch den das Mädchen in eine andere Welt rutschte.
Die neuesten Arbeiten von Susanna Niederer sind nicht mehr aus Metall. Die zierliche Baslerin sehnte sich nach mehr Leichtigkeit. So sind Skulpturen aus beschichtetem Polystyrol entstanden, sogenannte Ellipsoide. Sie sehen wie riesige Strausseneier aus, täuschen Schwere vor und tragen den seltsamen Namen «Baum». Auch experimentierte die Künstlerin mit pflanzenähnlichen Objekten aus schwarzem Filz, die sie wie Girlanden von der Decke baumeln lässt. Sie wirken verspielt, geben jedem Luftzug nach und werfen bizarre Schatten an die Wand. «Blätter» und «Stamm» sind aus einem Sehr elliptisch Susanna Niederer mit «Transit nach Emmental». einzigen Stück Filz. Sie wurden in St. Gallen, in den Ateliers des weltbekannten Stoffherstellers Jakob Schlaepfer, mit einem Laser geschnitten. Die braunen Schmauchspuren haften immer noch am Material. «Hanna» heisst diese sinnliche Arbeit, die sich an das japanische Wort «Hana» (Blume) anlehnt. Nach den dramatischen Ereignissen in Japan erhält das Werk eine neue Bedeutung. «Beim Gedanken, dass wir nicht wissen, was und wie Pflanzen im Katastrophengebiet von nun an wachsen werden, bekomme ich Hühnerhaut.»
Im hellen Atelier erinnern zahlreiche Objekte an Japan. Pinsel in allen Grössen und Dicken, feines Porzellan, handgeschöpftes Papier. Auch die schwarzen, weiten Hosen der Künstlerin stammen aus dem Land der aufgehenden Sonne. Susanna Niederer, die Französisch, Spanisch und Kunstgeschichte studiert hatte, bevor sie ganz zur Kunst wechselte, weilte 2006 ein halbes Jahr in Japan. Dort erlernte sie die Sprache und war auch künstlerisch tätig. Seit dieser Zeit stellt sie regelmässig in Tokio aus. Ein grosses Kunst-am-Bau-Projekt mit Ellipsoiden aus Bronze ist im Entstehen. Ob Susanna Niederer die Arbeiten vor Ort begleiten kann, steht aufgrund der aktuellen Ereignisse allerdings noch in den Sternen. KATI MOSER
Art Forum Ute Barth, Zürich:
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