Sein grauer Anzug ist geschickt gewählt. Einerseits vermittelt er Seriosität, schliesslich ist Gerhard Richter einer der grössten Maler der Gegenwart. Der teuerste (29 Millionen Euro für «Domplatz, Mailand») auf jeden Fall. Anderseits tritt der 81-Jährige auf dem Rundgang durch seine Schau in Winterthur damit etwas in den Hintergrund und lässt seine neusten Arbeiten umso farbiger und lebendiger erscheinen.
Drei Werkgruppen sind im Neubau des Kunstmuseums zu sehen: zu Beginn eine Serie klein- und grossformatiger Lackbilder. Nach der uralten Technik des Marmorierens legt der Künstler eine Glasplatte auf Lachen von Lackfarben. Ein sinnlicher Arbeitsprozess: «Ich habe die Oberfläche mit den Händen, mit Pinsel und Spachtel gestaltet, bis sie mir gefallen hat.» Das Ergebnis ist wie häufig bei Richter eine gelungene Mischung aus Zufall und künstlerischer Gestaltung und erinnert an bunte Landschaften oder an die kunstvolle Zeichnung eines Achatsteines. Und warum gerade «Bagdad» als Titel der Serie? «Ich wollte das Märchenhafte betonen.» Ganz anders der nächste Raum. Vier Werke nur, aber was für eine Wirkung! Unüberschaubar die vielen Farblinien der «Strips». Die riesigen Streifenbilder (zwei davon sind 200 × 1000 cm) haben eine ambivalente Wirkung. So anziehend sie zuerst sind, so abweisend wirken die akkurat gezogenen Linien nach einiger Zeit. Und doch, wieder tritt man näher, taucht ein in das Farbenmeer, das einen ganz schwindlig werden lässt. Sie sind am Computer zusammengesetzt, digital mit Inkjet ausgedruckt – viel Handarbeit steckt da nicht drin.
«Mich interessiert das Ergebnis, nicht so sehr, wie das Bild gemacht ist», sagt Richter, der längst nicht mehr beweisen muss, dass er mit dem Pinsel umgehen kann. Einen wunderbaren Kontrast setzen im letzten Raum zwei Glasskulpturen, die in ihrer Durchsichtigkeit poetisch anmuten. Übrigens, Richter-Fans können sich freuen: Im Mai zeigt die Fondation Beyeler bei Basel eine grosse Retrospektive.
Kunstmuseum Winterthur ZH
Bis 21. 4. Di 10–20, Mi–So 10–17 Uhr
Tel. 052 267 51 62
Publikation CHF 50.–
www.kmw.ch