Schweizer Illustrierte: Frau Binsack, Sie planten, 2012 von Ihrer Haustür in Innertkirchen BE bis zum Himalaja zu laufen, und reisten deshalb nach Pakistan, um die Gegebenheiten rund ums Karakorum-Gebirge zu erkunden. Nun sind Sie vorzeitig zurückgekehrt – was ist passiert?
Evelyne Binsack: Die Erkundungen vor Ort waren schwierig. Ich musste erkennen, dass sich meine Pläne, den Karakorum zu durchwandern, nicht umsetzen lassen – das Gebirge ist geprägt vom Konflikt zwischen Indien und Pakistan, es besteht gar die Gefahr, dort erschossen zu werden. Ausschlaggebend für die verfrühte Rückkehr waren aber gesundheitliche Probleme: Beim Besteigen des 8034 Meter hohen Gasherbrum II reagierte mein Körper auf 6000 Metern völlig traumatisch.
Wie hat sich das ausgewirkt?
Ich hatte das Gefühl, jede einzelne Zelle erinnert sich an die Entbehrungen meiner Antarktis-Expedition und wehrt sich: Schmerzen, Übelkeit, Durchfall – ich verlor innert Kürze sechs Kilogramm Gewicht!
Konnten Sie aus eigener Kraft ins Basislager zurückkehren?
Dank der Unterstützung eines Gebirgsoffiziers, ja. Unten angekommen habe ich als Erstes ein Satellitentelefon ausgeliehen und meinen Partner Marcel Guinand angerufen. Er war froh, dass es mir den Umständen entsprechend gut geht – und freute sich auf meine Rückkehr in die Schweiz.
Es war Ihre erste grosse Reise, seit Sie beide zusammen sind.
Ja, die Trennung fiel mir entsprechend nicht leicht. Aber die Vorfreude aufs Wiedersehen hat auch ihren Reiz. Umso mehr geniessen wir es jetzt, gehen zusammen klettern und treffen letzte Einzugsvorbereitungen für unser gemeinsam gebautes Haus.
Und wie geht es beruflich weiter – werden Sie nie mehr einen 8000er besteigen?
Ich glaube, ich brauche das nicht mehr. Für mich geht es nicht mehr um Leistungen, sondern um Erlebnisse. Das hab ich mir auch für mein nächstes Projekt zum Ziel gesetzt: Ich werde nicht die ganze Strecke bis zum Himalaja abmarschieren, mir dafür aber mehrere spannende Schwerpunkte setzen. Interview NINA SIEGRIST