Am 10. September 1993 – und damit vor exakt 30 Jahren – erschien die «Akte X»–Pilotfolge «Gezeichnet» auf dem US–Kanal Fox – und begründete ein Popkultur–Phänomen. In 218 Episoden und zwei eher durchschnittlichen, auch finanziell nicht sonderlich erfolgreichen Kinofilmen ermittelten die FBI–Agenten Fox Mulder (David Duchovny, 63) und Dana Scully (Gillian Anderson, 55) irgendwo in einer düsteren, oft verregneten oder nebligen, von Paranoia und übernatürlichen Erscheinungen durchzogenen US–amerikanischen Provinz.
Es war die Anfangszeit des Internets, das es Anhängern von Verschwörungstheorien auf zuvor nicht gekannte Weise ermöglichte, sich zu vernetzen und abgedrehte Ideen auszutauschen. Auch die Fans der neuen Mystery–, Sci–Fi– und Horrorserie organisierten sich schnell online, während damals neue technische Geräte und Erfindungen wie Mobiltelefone oder E–Mails zentral für einige «Akte X»–Episoden wurden.
Besonders beflügelt wurde die Fantasie der Zuschauer durch eine übergreifende Geschichte, die sich auf einzelne Episoden einer Staffel verteilt über die gesamte Laufzeit von «Akte X» erstreckte. Doch dieser Alien–Verschwörungs–Erzählstrang entstand eigentlich mehr durch einen Zufall: Darstellerin Anderson wurde bereits vor der Produktion von Staffel zwei schwanger, weshalb sogar kurzzeitig eine Neubesetzung der Figur Scully erwogen worden sein soll.
Doch dann entschieden sich die Macher kurzerhand dazu, Scully innerhalb der Welt der Serie entführen zu lassen. So konnte ihre Darstellerin vorübergehend aussetzen – und die Geschichte um Ausserirdische, die letztlich die Kolonisation der Erde anstreben, war geboren.
Mulder und Scully: Ein perfektes Team
An die Produktionsstandards moderner Prestige–Serien wie «Breaking Bad» (2008–2013) oder «Game of Thrones» (2011–2019) kam «Akte X» selbstverständlich gegen Mitte und Ende der 1990er Jahre noch nicht heran. So traten etwa die Aliens häufig in Form von hellem, gleissendem Licht in Erscheinung, oder ähnelten – wenn ihre Körper denn einmal zu sehen waren – stereotypen kleinen grünen Männchen, wie sie schon trashige Sci–Fi–B–Movies der 1950er oder 1960er Jahre oder die Film–Parodie «Mars Attacks!» (1996) zu bieten hatten.
Getragen wurde «Akte X» jedoch grösstenteils durch die beiden formidablen Hauptdarsteller Gillian Anderson und David Duchovny. Ihre Figuren waren im Grunde äusserst holzschnittartig als Gegensätze angelegt. Er der FBI–Agent, der das berühmte Alien–Poster «I Want to Believe» in seinem Büro hängen hat, und von der Existenz übernatürlicher Phänomene ausgeht. Sie die studierte Ärztin und Naturwissenschaftlerin, die auf eine für Gesetzeshüterinnen überaus löbliche Art nach handfesten Beweisen und rationalen Erklärungen sucht.
Etwas schwer Greifbares an Duchovny und Andersons Darstellung dieser zwei Figuren fesselte die Fantasie von Millionen TV–Zuschauern. Angesichts der unbestrittenen Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern wünschte sich das Fernsehpublikum rasch auch eine romantische Beziehung zwischen den Protagonisten. Serienschöpfer Chris Carter (66) verwehrte den Fans und Zuschauern der Serie diesen Wunsch jedoch über lange Zeit, bevor Mulder und Scully schliesslich doch noch behutsam zusammenkommen durften.
Paranoia und Verschwörungen dunkler Mächte
«Ich erinnere mich daran, dass ich mich fragte: ‹Wollen Zuschauer wirklich eine Serie über Aliens sehen?›», verriet Mulder–Darsteller Duchovny einmal seine Gedanken aus der Zeit des Starts der Produktion. Die Befürchtung des späteren «Californication»–Stars sollte sich jedoch als gänzlich unbegründet erweisen.
Anfang der 1990er Jahre, kurz nach dem Ende des Kalten Krieges, war das US–amerikanische Fernsehpublikum reif für eine Mainstream–Show, die sich mit amerikanischen Monstern – darunter nicht zuletzt die US–Regierung – auseinandersetzt.
Teilweise ging es in «Akte X» um Verbrechen aus der Zeit des Kalten Krieges, wie etwa die Ermordungen von John F. Kennedy (1917–1963) oder Martin Luther King (1929–1968) oder Experimente an Soldaten. Dann wieder stellten Mulder und Scully entsetzt fest, dass in Wahrheit eine im Verborgenen agierende Gruppe mächtiger Männer innerhalb der US–Regierung und –Gesellschaft die Fäden zieht.
So richtig löste Showrunner Carter – ein Meister der Andeutungen und der Mehrdeutigkeit – jedoch seinen so famos begonnenen Alien–Handlungsstrang nie zufriedenstellend auf, was mit zunehmender Laufzeit der Serie für erhebliche Frustrationen unter Zuschauerinnen und Zuschauern sorgte.
Als dann auch noch Hauptdarsteller Duchovny einen Wechsel des Drehortes einforderte, mit dem Kanal Fox wegen finanzieller Fragen aneinandergeriet, und in der Folge nur noch spärlich in der Serie auftrat, war das schleichende Ende von «Akte X» besiegelt.
Das Ende des «Akte X»–Franchises
Im Jahr 2002 flimmerte die vorerst letzte Episode über die Bildschirme von Fox. Auf das Finale von Staffel neun folgte sechs Jahre später der zweite Kinofilm «Akte X – Jenseits der Wahrheit» (2008), bevor in den Jahren 2016 und 2018 zwei weitere Revival–Staffeln erschienen.
Im Januar 2018 erklärte dann Scully–Darstellerin Gillian Anderson: «Es ist Zeit für mich, Scullys Hut an den Nagel zu hängen. Das ist einfach so.» Angeblich soll für die Zukunft «Black Panther 1 und 2»–Regisseur Ryan Coogler (37) an einer Neuauflage der Serie mit einem diversen Cast arbeiten.
Auch eine Animationsserie mit dem Titel «The X–Files: Albuquerque» befand sich zwischenzeitlich in der Entwicklung, doch schon seit einigen Jahren hat man von diesem Projekt nichts mehr gehört. Ob die Wahrheit also immer noch da draussen ist, werden die kommenden Jahre zeigen. Die Zeit von Scully und Mulder – so viel scheint sicher – ist wohl endgültig vorbei.